Funktionen für die Darstellung

Darstellung:
  • Standard.
  • Aktuelle Einstellung: Druckansicht.

Seitenpfad

Noch mehr Zündstoff

Nach der Ukraine könnten Georgien und Moldawien die nächsten Punkte werden, an denen westliche Politiker gefährliche Konflikte mit der Moskauer Regierung provozieren. Beide Staaten erheben Ansprüche auf de facto souveräne Territorien, die von Russland nicht nur politisch, sondern auch militärisch unterstützt werden. Im Fall Georgiens sind das Abchasien und Südossetien, deren staatliche Unabhängigkeit von Moskau im September 2008 anerkannt wurde. Zuvor hatten im August 2008 russische Streitkräfte interveniert, um Südossetien bei der Abwehr eines georgischen Überfalls zu helfen. Russische Truppen sind auch in Pridnestrowje (deutsch: Transnistrien) stationiert, das 1991-1992 seine Unabhängigkeit von Moldawien erkämpfte. Allerdings ist dieser De-Facto-Staat nicht von Russland anerkannt.

Georgien und Moldawien haben im November 2013 während eines Gipfeltreffens in der litauischen Hauptstadt Vilnius Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen. Der Ratifizierungsprozess läuft allerdings noch. In diesem Zusammenhang gibt es vor dem Hintergrund der ukrainischen Ereignisse verstärkte diplomatische Aktivitäten. Der georgische Regierungschef Irakli Garibaschwili besuchte in der letzten Februarwoche Washington. Sein moldawischer Kollege Iurie Leanca wird am heutigen Montag dort erwartet. Außerdem werden während des laufenden Monats voraussichtlich hochrangige Vertreter der EU nach Georgien und Moldawien reisen.

Außenminister John Kerry versprach Garibaschwili während dessen Besuch, dass die USA die „strategische Partnerschaft“ der NATO mit Georgien noch mehr als bisher fördern wollen. Die Regierung in Tiflis hofft darauf, beim nächsten NATO-Gipfel im September einen weiteren Schritt zur vollen Integration in die westliche Militärallianz tun zu können, indem für Georgien ein sogenannter Membership Action Plan (MAP) unterzeichnet wird. Die Obama-Administration hat dafür schon ihre Unterstützung signalisiert. Aus amerikanischer Sicht hat sich Georgien besonders dadurch ausgezeichnet, dass es das stärkste Kontingent eines nicht zur NATO gehörenden Landes in Afghanistan stellt und auch schon seine Bereitschaft erklärt hat, dort auch in den nächsten Jahren „militärisch präsent“ zu bleiben.

Sowohl Georgien als auch Moldawien werden von den USA und der EU in ihren territorialen Ansprüchen unterstützt. Regelmäßig werden Resolutionen verabschiedet, die die Stationierung russischen Truppen in Abchasien, Südossetien und Pridnestrowje als unrechtmäßig verurteilen und deren Abzug fordern. So lange diese Streitigkeiten nicht beigelegt sind, ist jedoch mit der Aufnahme der beiden Staaten in die EU und in die NATO nicht zu rechnen.

Besonders groß ist aktuell die Gefahr einer Zuspitzung des Konflikts zwischen Moldawien und Pridnestrowje. Das rund 3.500 Quadratkilometer große Land hat keine gemeinsame Grenze mit Russland, sondern liegt – 200 Kilometer lang, aber im Durchschnitt nur 15 bis 20 Kilometer breit – eingeklemmt zwischen Moldawien und der Ukraine. Unter seinen ungefähr 550.000 Einwohnern sind nach amtlicher Zählung 31,9 Prozent Moldawier, 30,3 Prozent Russen und 28,9 Prozent Ukrainer. Bisher haben die Aktivitäten der rechtsextremen ukrainischen Nationalisten noch nicht auf Pridnestrowje übergegriffen. Die EU hat in den letzten Jahren versucht, der moldawischen Regierung ein Föderalisierungskonzept schmackhaft zu machen, das vielleicht auch für den kleinen De-Facto-Staat akzeptabel sein und ihm einen Anschluss an Moldawien ermöglichen könnte. Russland schien dieses Verfahren bisher grundsätzlich zu unterstützen. Ob das so bleibt, wird jedoch sehr von der weiteren Entwicklung in der Ukraine abhängen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 3. März 2014