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Schiffeversenken im Golf von Aden
Geheimauftrag für die Bundesmarine. "Unfälle" sind vorhersehbar.
Deutsche Kriegsschiffe sollen demnächst Piratenboote im Golf von Aden und vor der Küste Somalias beschießen und versenken. Natürlich nur, wenn es „erforderlich“ ist. Was das konkret bedeutet, wird der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt. Die Einsatzvorschriften sind so geheim, dass – einem Bericht des Spiegel zufolge – selbst Abgeordnete die Papiere nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages durchblättern durften. Am Freitag dieser Woche soll das Parlament über den Einsatz abstimmen. Der Zeitpunkt ist absehbar, wo militärische Entscheidungen so „streng vertraulich“ sein werden, dass selbst die meisten Abgeordneten nicht mehr erfahren, worüber sie eigentlich abstimmen sollen.
„Kollateralschäden“ mit Toten und Verletzten aufgrund des geplanten Schießbefehls sind vorhersehbar. Bei einer solchen Aktion hatte eine indische Fregatte am 18. November einen gekaperten thailändischen Frachter versenkt. Von 15 Besatzungsmitgliedern überlebte nur einer. Bis dieser nach mehreren Tagen zufällig aus dem Wasser gerettet wurde und den Hergang berichten konnte, hatte die indische Regierung stolz behauptet, ein Piratenschiff „vernichtet“ zu haben. In Deutschland hatte die Bild-Zeitung ein Foto des in eine Feuerwolke gehüllten Frachters geradezu als Siegesmeldung publiziert.
Marine-Insider geben zu, dass es im Golf von Aden, einer der am meisten befahrenen Wasserstraßen der Welt, praktisch unmöglich ist, Seeräuber-Fahrzeuge zweifelsfrei zu erkennen. Neben Handelsschiffen sind zahlreiche Fischerboote, Jachten, aber auch Schmuggler und Menschenhändler unterwegs. Sie transportieren verzweifelte Afrikaner, die sich von dem de facto unabhängigen Staat Puntland aus zum Jemen übersetzen lassen, um Arbeit auf der arabischen Halbinsel zu suchen. In Puntland – und keineswegs, wie meist suggeriert wird, in Somalia – liegen auch die wichtigsten Stützpunkte der Piraten.
Aufgrund der Geheimhaltung ist bisher nicht bekannt, ob der bevorstehende Bundestagsbeschluss auch die Beteiligung an Kampfeinsätzen auf dem Festland erlauben wird. Im Sicherheitsrat der UNO wird am Dienstag über einen US-amerikanischen Antrag verhandelt, der zur Bekämpfung der Piraterie „vorbeugende“ Militärschläge gegen vermutete Stützpunkte an Land zulassen soll. Das würde dann im Prinzip auch für deutsches Militär gelten. Verdächtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung sich vom Parlament die Ermächtigung für den Einsatz von 1400 Soldaten holen will. Für die eine Fregatte, die laut Beschlussvorlage zur Verfügung gestellt werden soll, sind (einschließlich Landpersonal) nur rund 500 Soldaten erforderlich.
Unterdessen hat der Kommandeur der 5. US-Flotte, Vizeadmiral Bill Gortney, vor Militäraktionen an Land gewarnt, da sie unübersehbare Risiken beinhalten würden. Es sei äußerst schwierig, Piraten eindeutig zu identifizieren, und die Gefahr, dabei unbeteiligte Zivilisten zu töten, sei überhaupt nicht groß genug einzuschätzen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 15. Dezember 2008