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Auf dem Jahreskongress der Israel-Lobby ist Obama für die "beste Nebenrolle" nominiert.
Am Sonntagmorgen (Ortszeit) begann in Washington die „Politische Konferenz“ der offiziellen Pro-Israel-Lobby AIPAC. Das Großereignis wird am Dienstag mit Reden der republikanischen Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney, Rick Santorum und Newt Gingrich enden.
Die Kongresse des AIPAC finden in jedem Jahr um diese Zeit statt. Sie versammeln alles, was in Regierung und Opposition Rang und Bedeutung hat – oder gern haben würde. Für Abgeordnete und Senatoren besteht fast schon Anwesenheitspflicht. Wer der Ehre gewürdigt wird, ein paar Worte an das über 5000 Menschen zählende Publikum richten zu dürfen, ist gut beraten, nicht nur hundertprozentig die Positionen der israelischen Regierung zu wiederholen, sondern dabei auch Enthusiasmus zur Schau zu stellen. Geringfügige Abweichungen von der Linie – die ohnehin kaum vorkommen -, werden mit deutlichem Murren oder eisigem Schweigen quittiert, die dem Redner noch jahrelang anhängen. Dagegen kann man mit schamlosen Übertreibungen, denen sich selbst israelische Rechte nicht in jedem Fall anschließen würden, kaum etwas verkehrt machen.
Die dreitägige Konferenz wird in diesem Jahr voraussichtlich ganz im Zeichen der Kriegshetze gegen Iran stehen. Israels Regierung und die Lobby wollen erreichen, dass Präsident Barack Obama sich verbindlich und unwiderruflich auf Militäroperation festlegt, sobald Teheran bestimmte „rote Linien“ überschreitet. Der AIPAC hat sich vor einigen Tagen mit seiner Forderung durchgesetzt, dass schon das Erreichen der sogenannten Atomwaffenfähigkeit (nuclear weapon capability) - und nicht etwa erst die Entwicklung solcher Waffen - als „rote Linie“ zu gelten hat.
Obama hatte als erster Hauptredner am Sonntagvormittag Gelegenheit, dem Publikum die gewünschten „Zusicherungen“ vorzutragen. Seinen sachlich nicht gerechtfertigten, aber für die Lobby durchaus politisch nützlichen Ruf, er sei der israelfeindlichste Präsident, den die USA jemals hatten, wird er allerdings selbst damit vermutlich nicht losgeworden sein.
Am heutigen Montag wird Obama im Weißen Haus mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zusammentreffen. Dieser wird dem Gastgeber noch einmal scharf und deutlich erklären, wie unwillkommen seiner Regierung alle US-amerikanischen Ratschläge für den richtigen Zeitpunkt des Angriffbeginns gegen Iran sind.
Anschließend wird Netanjahu auf der abendlichen „Gala“, dem eigentlichen Höhepunkt der AIPAC-Konferenz, auftreten. Sollte er dann, umtost von standing ovations im Minutentakt, verkünden, dass Obama sich total seiner Meinung angeschlossen habe, würde dieser wohl kaum Lust zu einem Dementi haben.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 5. März 2012