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Nie wieder Sonderweg
Guido Westerwelle ist für Linke ganz und gar kein Sympathieträger. Das Beste, was man über seine Rolle als deutscher Außenminister sagen kann, ist, dass er kaum in Erscheinung tritt. Aber Menschenjagden, gehässige Intrigen und lärmige Gerüchtepolitik sind stets widerlich. Ganz besonders gilt das in diesem Fall, wo eine noch stärkere Beteiligung Deutschlands an der Kriegsmacherei der NATO durchgesetzt und wo eine zwar halbherzige, aber im Grundsatz richtige Entscheidung „korrigiert“ werden soll.
Westerwelle hat sich im UN-Sicherheitsrat am 17. März enthalten, als über die Resolution 1973 entschieden wurde, die von der NATO anschließend als Freibrief für die militärische Erzwingung eines „regime change“ in Libyen missbraucht wurde. Mit ihm enthielten sich auch die Vertreter Chinas, Russlands, Brasiliens und Indiens. Ein klares Nein wäre besser gewesen, zumal wenn es von einer der beiden Veto-Mächte gekommen wäre. Aber das Auftreten des deutschen Außenministers war dennoch außergewöhnlich, erstaunlich, und, man muss es sagen, respektabel. Es signalisierte, dass man nicht in jedes militärische Abenteuer der Verbündeten mit hinein stolpern muss.
Selbstverständlich war diese Entscheidung kein Alleingang des Außenministers. Sie wurde damals von der gesamten Bundesregierung getragen und entsprach insbesondere der Haltung der Kanzlerin, die nach Artikel 65 des Grundgesetzes die Richtlinien der Politik bestimmt. Das – nicht wirklich konsequent durchgehaltene – Fernbleiben Deutschlands vom Angriffskrieg gegen Libyen wurde von Anfang an von den Oppositionsparteien SPD und Grüne verurteilt. In den Mainstream-Medien, vor allem im Spiegel und in den Zeitungen des Springer-Konzerns, wurde eine Kampagne gegen die Libyen-Politik der Bundesregierung und hauptsächlich gegen die Person des Außenministers eröffnet.
Nachdem die NATO die Rebellen anscheinend erfolgreich an die Macht gebombt hat, sehen Intriganten aller Parteien den Moment gekommen, wo die Jagd auf Guido Westerwelle mit dem Abschuss beendet und damit zugleich ein klares Signal für künftige Kriegseinsätze gesetzt werden sollte. Dass der Außenminister im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Politikern zunächst der NATO weder „Dank“ noch „Respekt“ für das angerichtete Chaos bekunden mochte, wurde als total skandalös beschrieen. Dass Westerwelle es dann gestern in Springers Welt am Sonntag doch noch tat, wurde als unglaubwürdiges und viel zu spätes „Einknicken“ verhöhnt. Es mag sein, dass er die Fraktionsklausur seiner Partei, die morgen beginnt, noch überstehen wird. Politisch tot ist er so oder so.
Als Ergebnis scheint jetzt schon festzustehen, dass es keine „deutschen Sonderwege“, also schlichtweg kein selbstständiges Agieren im Rahmen der NATO mehr geben soll. Künftig darf nie wieder ein Krieg ausgelassen werden. In Libyen kann der versäumte Bundeswehreinsatz vielleicht schon demnächst nachgeholt werden.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 29. August 2011