KNUT MELLENTHIN

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NATO-Kriegsschiffe vor Irans Küste

Die am Freitag von iranischen Grenztruppen festgenommenen 15 britischen Marinesoldaten gehören zur Besatzung der Fregatte "Cornwall". Dieses hochklassig bewaffnete und ausgerüstete Kriegsschiff befindet sich erst seit knapp zwei Wochen im Persischen Golf. Die "Cornwall" wurde dorthin verlegt, um als Kommandoschiff der Combined Task Force 158 zu dienen, die seit 2003 mit Operationen in den irakischen Küstengewässern beauftragt ist und Teil der sogenannten Koalitionstruppen ist. Die Stationierung der "Cornwall" im Golf ist Teil eines routinemäßigen Wechsels des Oberkommandos über die CTF 158. Der britische Commodore Nick Lambert löste den USA-Admiral Garry Hall ab.

Man kann also annehmen, dass die in den Zwischenfall verwickelten britischen Soldaten vielleicht einen ihrer ersten Einsätze absolvierten und die dortigen Gewässer, insbesondere den Grenzverlauf, nicht kannten. Dass erst wenige Tage vor dem Zwischenfall das Kommando von einem Amerikaner auf einen Briten übergegangen war, könnte andererseits, wenn man eine bewusste Provokation unterstellen will, mehr als Zufall gewesen sein: Dieser Umstand bringt die Europäer, deren Kriegsbereitschaft nach Ansicht der US-Regierung immer noch viel zu wünschen übrig lässt, direkt ins Spiel.

Zur CTF 158 gehören Kriegsschiffe und Patrouillenboote der USA, Großbritanniens, Australiens und des Irak. Als Hauptaufgabe der Task Force wird offiziell der Schutz der irakischen Ölwirtschaft beschrieben, die zu 85 bis 90 Prozent im Nordteil des Persischen Golfs angesiedelt ist. Zu schützende Objekte sollen in erster Linie Bohrinseln und Häfen sein. Allerdings ist seit Kriegsbeginn überhaupt nur ein einziger Anschlag auf eine Bohrinsel verzeichnet, der sich Anfang 2004 zugetragen haben soll. Eine weitere Explosion auf einer Bohrinsel im vorigen Jahr stellte sich als Unfall heraus.

Als weitere Aufgabengebiete der CTF 158 werden genannt:

  • Bekämpfung von Terrororganisationen
  • Bekämpfung von Aufständischen
  • Bekämpfung von Piraten

 

Es ist nicht wirklich überraschend, dass zu den beiden ersten Punkten keine praktischen Aktivitäten der Task Force gemeldet werden. Man kann diese daher, ebenso wie den Schutz von Bohrinseln und Häfen, einem künstlich konstruierten Gefahrenszenario zurechnen, das lediglich der Rechtfertigung des Einsatzes militärischer Kräfte dienen soll. Ein reales Problem scheint hingegen zeitweise die Piraterie, vor allem gegen kleine Handelsschiffe, gewesen zu sein. Die CTF 158 meldete für den Zeitraum Juli bis Dezember 2004 rund 70 Überfälle sowie 25 weitere Zwischenfälle in der ersten Jahreshälfte 2005. Seit November 2005 habe es im Aktionsbereich der Task Force - wohl als Folge von deren Einsätzen - keine Piratenangriffe mehr gegeben, heißt es in der Selbstdarstellung der CTF 158.

Die Durchsuchung von Frachtschiffen auf mögliche Schmuggelware, die jetzt den Zwischenfall auslöste, taucht unter den offiziell genannten Aufgaben der CTF 158 nicht auf, obwohl jetzt ständig von "routinemäßigen Durchsuchungen" die Rede ist. Es ist auch nicht einzusehen, warum diese klassische Polizeiaufgabe von der britischen Kriegsmarine wahrgenommen werden sollte, statt vom irakischen Grenzschutz. Immerhin besitzt die irakische Marine, einer Selbstdarstellung der CTF 158 zufolge, 24 Schnellbote, 10 Schlauchboote - wie die, mit denen die festgenommenen Briten im Einsatz waren - sowie fünf Patrouillenbote. Außerdem gilt Irak nominell schon seit dem 30. Juni 2004 als souveräner Staat, der von den Koalitionstruppen nur in Funktionen unterstützt werden soll, die seine eigenen Sicherheitskräfte noch nicht allein übernehmen können. Zumindest ist ganz und gar uneinsichtig, warum irakische Grenzschützer nicht an "routinemäßigen" Kontrollen von Frachtschiffen wie der am vergangenen Freitag teilnehmen. Schließlich sollen sie, auch das ist Teil der Selbstdarstellung von CTF 158, dazu gebracht werden, alle in diesem Bereich anfallenden Aufgaben allein und selbstständig zu übernehmen.

Die Frage ist, ob nicht tatsächlich normalerweise irakische Beamte und Soldaten an solchen Überprüfungen teilnehmen - und nur ausnahmsweise nicht an der Aktion am Freitag. Das wäre ein weiteres Indiz für eine gewollte und geplante Provokation.

Vor dem Hintergrund des Zwischenfalls weisen britische und andere europäische Politiker mit zur Schau gestellter Empörung darauf hin, dass die CTF 158 für ihre Aktivitäten ein Mandat des UNO-Sicherheitsrats habe. Tatsächlich enthält die Resolution 1546 vom 8. Juni 2004, die seither alljährlich um weitere zwölf Monate verlängert wurde, aber nur eine ganz unspezifische Blankovollmacht für die Koalitionstruppen, "alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität im Irak beizutragen". Die Resolution bezieht sich dabei auf eine schriftliche Erläuterung des damaligen US-Außenministers Colin Powell. Darin wurden einige Aufgaben umrissen. Die Überprüfung von Frachtern auf nichtmilitärisches Schmuggelgut gehörte jedoch nicht dazu.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. März 2007