KNUT MELLENTHIN

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Sanktionen ausgeweitet

Genfer Abkommen mit dem Iran droht noch vor seinem Inkrafttreten durch Provokationen der USA zu scheitern.

Iran will trotz der Verschärfung der Sanktionen durch die US-Regierung die Verhandlungen über die Umsetzung des Genfer Abkommens vom 24. November fortsetzen. Das gab Außenminister Mohammad Jawad Zarif am Sonntag bekannt. Das amerikanische Finanzministerium hatte am Donnerstag seine schwarze Liste um vier Personen, zwölf Firmen und 36 Tankschiffe erweitert. Allen Beteiligten wird vorgeworfen, sie seien am Unterlaufen der von den USA verhängten Sanktionen gegen Irans Erdöl-Export beteiligt.

Iran hatte in ersten Reaktionen erklärt, das Vorgehen der Obama-Administration verstoße gegen den „Geist“ des Genfer Abkommens. In genau diesem Sinn äußerte sich auch das russische Außenministerium. Die iranische Delegation wurde daraufhin von den seit vorigem Montag in Wien stattfindenden Expertengesprächen nach Teheran zurückgerufen. Zarifs gestrige Stellungnahme deutet darauf hin, dass die iranische Regierung es vorerst bei dieser Geste belassen und die Verhandlungen sehr schnell fortsetzen will. Genau das hatten Außenminister John Kerry und andere Mitglieder der US-Regierung vorausgesagt. Zarif hatte vor einigen Tagen gewarnt, dass die Genfer Vereinbarungen „tot“ wären, falls in Washington zusätzliche Strafmaßnahmen beschlossen würden.

Die Expertengespräche sind erforderlich, weil das Genfer Abkommen nur ein ungewöhnlich oberflächlich und lückenhaft gearbeitetes Papier ist. Es enthält keine zeitlichen Angaben für die Abfolge der versprochenen Schritte, keine praktischen Einzelheiten zu den versprochenen Sanktionserleichterungen, und noch nicht einmal einen Termin, an dem das vereinbarte sechsmonatige Moratorium in Kraft treten soll.

Mit dem Genfer Abkommen hat sich die US-Regierung unter anderem verpflichtet, während der Dauer des Moratoriums keine neuen Sanktionen in Kraft zu setzen. Aber erstens hat das Moratorium noch gar nicht begonnen, und zweitens handelt es sich bei den Maßnahmen des Finanzministeriums nicht um neue Sanktionen, sondern nur um die Durchführung schon bestehender Bestimmungen. Diese verpflichten das Ministerium unter anderem auch, seine schwarze Liste regelmäßig zu überprüfen und zu ergänzen.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um eine bewusste politische Provokation handelt, mit der die Toleranz der iranischen Seite auf eine erste harte Probe gestellt wird. Die US-Regierung hätte zu diesem Zeitpunkt durchaus die Möglichkeit gehabt, die Fortschreibung der schwarzen Liste  einfach zu verschieben. Das um so mehr, da die Sanktionen gegen Irans Ölhandel, deren Verletzung beanstandet wird, dem Genfer Abkommen zufolge während des Moratoriums ausgesetzt werden sollen.

Die demonstrative Verfolgung angeblicher Sanktionsbrüche zu diesem politisch heiklen Zeitpunkt ist offensichtlich eine Beschwichtigungsgeste an Israel und seine Lobby im Kongress. Sie stellt außerdem eine Warnung an Unternehmen in aller Welt dar, dass die Obama-Administration ihre „Sanktionsarchitektur“ auch während des Verhandlungsprozesses scharf bewachen wird. Diesen Aspekt betonte der für die Strafmaßnahmen zuständige Staatssekretär im Finanzministerium, David Cohen, ausdrücklich, als er die Erweiterung der schwarzen Liste bekanntgab.

Mehrere iranische Abgeordnete, die dem Genfer Abkommen ohnehin skeptisch gegenüberstehen, kommentierten das Vorgehen der Obama-Administration als Bestätigung ihrer Befürchtungen. Sejed Mehdi Moussawinedschad, der dem Energieausschuss angehört, kündigte die Arbeit an einem Gesetz an, das die Regierung verpflichten soll, Uran auf 60 Prozent anzureichern: als Brennstoff für nukleargetriebe Schiffe, die Iran freilich noch gar nicht besitzt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 16. Dezember 2013