KNUT MELLENTHIN

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Virale Zeiten

Wir sind Zeugen und Objekte eines Zivilisationsbruchs, an dem kaum etwas Unvorhersehbares ist

Politiker und Medien sprechen in diesen Tagen davon, dass wegen der Corona-Pandemie leider manche Grundrechte „eingeschränkt“ werden müssten. Das ist falsch gesagt. Wahr ist, dass sie auf unbegrenzte Zeit außer Kraft gesetzt werden. Vielleicht – aber das ist unwahrscheinlich – nur bis nach den Osterferien, vielleicht bis zur Entwicklung eines Impfstoffes, was fünf Monate oder auch zwei Jahre dauern könnte.

Einstweilen werden den Menschen aufgrund unberechenbarer Entscheidungen einfachste menschliche Handlungen und Verhaltensformen verboten, an die in dieser Totalität selbst in Kriegszeiten nicht gerührt wurde: Das Spielen und die Sozialisierung der Kinder mit Gleichaltrigen. Die ersten und die letzten Liebesbeziehungen zwischen Menschen jeden Alters. Das Zusammenleben und Konkurrieren Jugendlicher in Freundesgruppen. Reale, nicht nur „digitale“ Begegnungen zwischen den Generationen einer Familie. Das Sterben von Menschen in der Begegnung und Auseinandersetzung mit engsten und weitesten Familienangehörigen, Freunden und langjährigen Bekannten. Die gemeinsame Trauer um Gestorbene. Die gemeinsame Freude mit Heiratenden und jungen Eltern.
 
Alles das wird, je länger die Kontaktverbote andauern und je schöner die Wetterverhältnisse werden, gegen „die menschliche Natur“ mit zunehmender Gewalt der Staatsorgane durchgesetzt werden müssen. Hauptsächlich gegen Menschen, deren Risiko, selbst zu erkranken, minimal ist und die daher mit der Furcht vor einer Ansteckung nicht einzuschüchtern sind. Polizisten, die das Zusammensein von Jugendlichen im Freien oder in Wohnungen verhindern sollen und die der Frage nachgehen müssen, warum vor einem Haus in Anklam ein Auto mit Ratzeburger Kennzeichen steht, werden sich erstens unbeliebt machen und zweitens erheblich weniger Zeit für ihre normalen Aufgaben haben.

Politiker erzählen dazu, sie seien von der Pandemie „überrumpelt“ worden, hätten mit dem Ausmaß der Entwicklung nicht gerechnet. Lieber stellen sie sich selbst als komplette Idioten dar, als dass sie die Wahrheit zugeben und offenlegen würden: Was jetzt geschieht, war schon seit etlichen Jahren voraussehbar. Es wurde in einer Vielzahl von Plänen detailliert bearbeitet, von denen die sogenannte Öffentlichkeit vorerst nur einen kleinen Teil nachvollziehen kann.

Viele Hinweise deuten darauf hin, dass solche Pläne auf nationaler und internationaler Ebene schon seit der ersten SARS-Epidemie entwickelt wurden, die im Wesentlichen im Zeitraum von Ende November 2002 bis Juli 2003 auftrat und mit wenigen Ausnahmen auf Ost- und Südostasien beschränkt blieb. Die Abkürzung steht für „Severe Acute Respiratory Syndrom“, eine sogenannte atypische Lungenentzündung. Der bis dahin unbekannte Erreger gehörte zur Gruppe der Corona-Viren. Die Zahl der bekannt gewordenen Todesfälle blieb damals weltweit unter 1.000. Zufällig war es das selbe Jahr, in dem die Koalition aus SPD und Grünen unter Gerhard Schröder die „Agenda 2010“ verkündete, die unter anderem schwere Beschädigungen des deutschen Gesundheitswesens zur Folge hatte.

Als Beweis, dass es Verlaufsprognosen möglicher Epidemien und darauf basierende Notfallplanungen schon lange gibt, wurde besonders von Politikern der Linken in den letzten Wochen mehrfach auf die Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ hingewiesen. Sie wurde dem Bundestag mit Datum 3.1.2013 als Drucksache 17/12051 zugeleitet und ist im Internet leicht zu finden. Die „Federführung“ lag beim Robert-Koch-Institut (RKI); beteiligt waren zahlreiche Bundesbehörden einschließlich der Bundeswehr.

Entscheidender Anlass und Hintergrund für diese Studie war offenbar die auch als „Schweinegrippe“ bekannte Influenza-Pandemie zwischen Januar 2009 und August 2010. Die Zahl der damals weltweit Erkrankten wird auf 700 Millionen bis 1,4 Milliarden geschätzt, die Zahl der Toten auf 150.000 bis fast 600.00.


Es handelt sich allerdings, zumindest in der veröffentlichten Form, weder um eine Analyse noch um konkrete Handlungsvorschläge, sondern lediglich um hypothetische Annahmen für den Verlauf einer besonders schweren Pandemie. Als Erreger wurde ein bislang unbekanntes, hochansteckendes SARS-Coronavirus zugrunde gelegt, gegen das es in den ersten drei Jahren nach Auftreten der Krankheit weder Behandlungsmittel noch Impfstoffe geben würde. Entsprechend lang wurde die Dauer dieser Pandemie angenommen. In diesem Zeitraum sei in Deutschland „mit mindestens 7,5 Millionen Toten als direkte Folge der Infektion zu rechnen“.


Dieser Prognose lagen mehrere Voraussetzungen zugrunde, die nach Allen bisherigen Erkenntnissen auf das gegenwärtig verbreitete Coronavirus SARS-CoV-2 nicht zutreffen. In erster Linie waren das zwei Annahmen. Erstens: Der hypothetische Erreger könne unterschiedslos in Allen Altersgruppen schwerste Erkrankungen auslösen. Zweitens: Infizierte Menschen, die die Krankheit überstanden haben, könnten sich später erneut anstecken. Davon ausgehend wurde angenommen, dass die Pandemie in Deutschland in drei Wellen verlaufen und sich über etwa drei Jahre erstrecken würde.


Zu den Maßnahmen der Staatsorgane, einschließlich der begleitenden Propaganda, enthält die Anfang 2013 veröffentlichte Studie nur allgemeinste Vorgaben. Immerhin weist das Papier aber auf die Existenz von konkreten Planungen hin: „Auf nationaler Ebene gibt es insbesondere seit dem Auftreten von humanen Fällen von aviärer Influenza“ – die sogenannte Vogelgrippe, deren Übertragbarkeit auf Menschen seit etwa 2005 nachgewiesen war – „Bestrebungen, Influenzaepidemiepläne zu entwickeln. Es gibt einen nationalen Influenzaepidemieplan (RKI, 2007).... Auf Länder- und kommunaler Ebene wurden auf dieser Basis eigene Pandemiepläne erstellt... Daneben haben viele Großunternehmen und Institute eigene Pläne entwickelt, um krankheitsbedingte Ausfälle zu reduzieren und Arbeitsfähigkeit, z.B. durch Telearbeitsplätze, sicher zu stellen.“


Es wäre eine interessante Aufgabe für die Linke, nach diesen Plänen zu fragen und auf deren Veröffentlichung zu drängen. Verbunden werden sollte das mit der Frage, welche praktischen Vorsorgemaßnahmen auf die absehbare Katastrophe die Bundesregierung und andere staatliche Stellen getroffen hatten. Dass Schutzkleidungen, Mundmasken und Desinfektionsmittel bis heute nicht in auch nur annähernd ausreichenden Mengen vorhanden sind, kann als schon bekannt gelten.


Knut Mellenthin

26. März 2020