KNUT MELLENTHIN

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Bundeswehr unterstützt Kampfeinsätze in Südafghanistan (2.10.2006)

Bundeswehr unterstützt Kampfeinsätze in Südafghanistan

Am Sonnabend hat das Verteidigungsministerium zugegeben, dass die Bundeswehr schon seit einiger Zeit an der Kriegführung der NATO im Süden Afghanistans beteiligt ist. Zwei Tage zuvor hatte der Bundestag mit großer Mehrheit der Verlängerung des Bundeswehr-Mandats zugestimmt. Als einzige Fraktion lehnte die Linkspartei geschlossen ab. Offenbar hat das Verteidigungsministerium mit der überfälligen "Enthüllung" der deutschen Unterstützung für Kampfeinsätze bewusst bis nach der Bundestagssitzung gewartet.

Wie "Spiegel Online" am Sonnabend meldete, haben Hubschrauber und Transporter der Bundeswehr schon zahlreiche Unterstützungsmissionen für die Offensiv-Operationen der NATO im Süden geflogen. Die Bundeswehr hat Nachschub und Truppen in die Kampfgebiete transportiert und leistet "medizinische Unterstützung".

Darüber hinaus sind Angehörige der deutschen Spezialeinheit KSK wahrscheinlich schon seit langem an US-amerikanischen Militäraktionen im Süden und Osten Afghanistans beteiligt. Diese Einsätze unterliegen aber absoluter Geheimhaltung. Nach Aussagen des außenpolitischen Sprechers der CDU, Eckart von Klaeden, will das Verteidigungsministerium die Obleute des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags künftig besser über KSK-Einsätze informieren. Mehr öffentliche Transparenz bringt das nicht, weil die Obleute der Parteien zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

"Bild am Sonntag" veröffentlichte eine dem Blatt zuspielte "Mängelliste" aus dem Bundeswehr-Führungsstab, hinter der sich konkrete Aufrüstungsforderungen für das Afghanistan-Kontingent verbergen. Schon Anfang September hatte die Bundeswehr angekündigt, dass die deutschen Truppen eine "gepanzerte Reserve", vor allem durch Schützenpanzer vom Typ "Marder", erhalten sollen. Die Maßnahmen werden mit einer "verschlechterten Sicherheitslage" im Norden begründet. Sie sind aber auch im Zusammenhang mit einem möglichen direkten Einsatz der Bundeswehr im Süden und Osten zu sehen.

Die NATO ist bei ihrer wochenlangen Suche nach 2.500 zusätzlichen Soldaten für den Einsatz im Süden des Landes noch nicht viel weiter gekommen. Derzeit kämpfen dort vor allem Briten als stärkstes Kontingent, daneben Kanadier, Niederländer und einigen Dänen. Die britischen Einheiten sind, nach Aussagen ihrer Armeeführung, bereits bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten eingespannt. Polen und Rumänien sind unter Umständen bereit, jeweils 1.000 Soldaten zusätzlich nach Südafghanistan zu schicken, aber erst im nächsten Jahr. Mindestens 500 Soldaten fehlen immer noch an der Wunschzahl, die ohnehin unrealistisch niedrig angesetzt ist und vermutlich in den nächsten Monaten weiter erhöht werden wird.

Letztlich führt am direkten Einsatz der Bundeswehr in Südafghanistan kaum ein Weg vorbei. Der UNO-Sonderbeauftragte für Afghanistan, der Deutsche Tom Koenigs, hat das am Freitag in der "Süddeutschen Zeitung" offen ausgesprochen: Eine "Sonderrolle" der Bundeswehr  - wie die Beschränkung auf den vergleichsweise ruhigen Norden - könne es künftig nicht mehr geben. Koenigs ist ein langjähriger Weggefährte des früheren Außenministers Joseph Fischer. Im selben Sinn äußerte sich am Freitag auch CDU/CSU-Vizefraktionschef Andreas Schockenhoff in der "Frankfurter Rundschau".

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. Oktober 2006