KNUT MELLENTHIN

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Kanadas Soldaten bleiben in Afghanistan.

Druck auf Deutschland zur Beteiligung an Kampfeinsätzen wächst.

Kanadas Unterhaus hat am Donnerstag mit großer Mehrheit das Mandat für die 2.500 überwiegend in der Südprovinz Kandahar stationierten Soldaten bis Ende 2011 verlängert. Die mit einer parlamentarischen Minderheit regierenden Konservativen und die oppositionellen Liberalen sind unter der Parole der nationalen Einheit ("Es geht um Kanada") ein Bündnis eingegangen. Dadurch kam ein Ergebnis von 198 zu 77 zustande. Die Abgeordneten der Neuen Demokratischen Partei und des separatistischen Bloc Quebecois stimmten gegen die Verlängerung. Die vorangegangene Mandatsverlängerung im Mai 2006 hatte das Parlament nur knapp mit 149 gegen 145 Stimmen passiert. Etwa 30 liberale Abgeordnete hatten den Konservativen damals zur Mehrheit verholfen.

Das jetzige Zusammengehen der beiden größten Parteien des Landes kommt nicht überraschend. Schließlich waren es nach dem 11. September 2001 die damals regierenden Liberalen, die kanadische Soldaten in den Afghanistankrieg schickten. Auch für die Entscheidung im Jahr 2005, die Truppenstärke zu verdoppeln und die Verantwortung für die Aufstandsbekämpfung in Kandahar zu übernehmen, war eine von den Liberalen geführte Regierung verantwortlich.

Doch seit die Partei 2006 in die Opposition gedrängt wurde und seit die Verluste des kanadischen Kontingents dramatisch angestiegen sind, bemühen sich die Liberalen, sich als Kritiker der Kriegsführung darzustellen. Das liegt nahe, da angesichts von 80 toten Soldaten inzwischen die Mehrheit der Bevölkerung gegen die weitere Beteiligung am Afghanistankrieg ist. Das jetzige Zusammengehen der Partei mit den Konservativen bei der Verlängerung des Mandats um weitere drei Jahre zeigt jedoch, wo die größte Oppositionspartei tatsächlich steht.

Die Liberalen stellen es als Erfolg dar, dass die gemeinsam mit den Konservativen verabschiedete Mandatsverlängerung die Beendigung des kanadischen Truppeneinsatzes im Dezember 2011 vorsieht. Dass sehen jedoch die Konservativen erklärtermaßen ganz anders: Die Resolution könne dem nächsten Parlament, das 2010 zu wählen sein wird, "nicht die Hände binden". Es handele sich um nicht mehr als eine Zielvorgabe, erklärte Peter Van Loan, der als Minister für die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament zuständig ist. Dieses Zeitziel ist unter anderem an die Voraussetzung gebunden, dass die afghanische Armee bis dahin ohne ausländische Unterstützung zur "Verteidigung des Landes" in der Lage ist.

Die am Donnerstag angenommene Resolution knüpft die Fortsetzung des kanadischen Einsatzes an die Bedingung, dass bis Februar 2009 mindestens 1.000 Mann Verstärkung aus anderen Ländern nach Kandahar geschickt werden müssen. Sie sollen die Kanadier nicht nur entlasten, sondern (laut offizieller Begründung) ihrem Kontingent auch erlauben, sich stärker mit dem Wiederaufbau des Landes und mit der Ausbildung afghanischen Soldaten und Polizisten zu befassen. Darüber hinaus verlangt Kanada von den Verbündeten mehr Kampfhubschrauber und unbemannte Aufklärungsflugzeuge für Kandahar.

Derzeit zeichnet sich ab, dass Frankreich für die geforderte Truppenverstärkung sorgen wird. Allerdings voraussichtlich nicht direkt, sondern so, dass französische Soldaten in den zwar auch umkämpften, aber nicht ganz so gefährlichen Südosten geschickt werden, für den die USA verantwortlich sind. Dadurch könnten US-amerikanischen Truppen für die Verlegung nach Kandahar freigestellt werden. Die Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung von Präsident Nicolas Sarkozy, wohin die französischen Soldaten gehen sollen, wird während des Bukarester NATO-Gipfels im April erwartet.

In jedem Fall wird vom stärkeren "Engagement" Frankreichs ein noch größerer Druck auf Deutschland ausgehen, sich ebenfalls an Kampfeinsätzen zu beteiligen. Einer Meldung von Spieel Online zufolge beabsichtigt die Bundesregierung, das deutsche Kontingent bei der nächsten Mandatsverlängerung von derzeit 3.500 auf 5.000 Mann aufzustocken. Das deutet auf eine geplante Ausweitung der Aufgaben hin.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. März 2008