KNUT MELLENTHIN

Funktionen für die Darstellung

Darstellung:

Seitenpfad

Krieg ohne Ende

Deutschland soll mit auf die Reise gehen. Nächste Stationen: Pakistan und Iran.

Deutschland wird seine Beteiligung am Afghanistankrieg der NATO demnächst noch weiter verstärken. Das bleibt als Fazit eines an widersprüchlichen Meldungen und halbherzigen Dementis reichen Wochenendes rund um die Münchner Sicherheitskonferenz.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und andere Regierungspolitik haben mit ihrer ständig wiederholten Behauptung, das Thema sei definitiv vom Tisch, die deutsche Öffentlichkeit belogen. Sie haben zudem dumm gelogen, weil sie damit rechnen mussten, dass die US-amerikanische Seite auf ihre innenpolitischen Probleme beim "Verkauf" dieses Krieges überhaupt keine Rücksicht nehmen würden. Im Gegenteil: US-Verteidigungsminister Robert Gates und seine Außenpolitik-Kollegin Condoleezza Rice haben es erklärtermaßen zu ihrer Absicht gemacht, sich mit ihren Aufrufen direkt an die Öffentlichkeit in Deutschland zu wenden.

Die NATO-Verbündeten müssten "ehrlich mit ihrer Bevölkerung" sein, hatte Rice schon am Mittwoch bei einem Besuch in London gefordert. "Die Bevölkerungen müssen verstehen, dass dies nicht einfach eine Friedensmission ist." Auf der selben Wellenlänge klagte Gates am Sonntag in München: "Ich bin besorgt, dass viele Leute auf diesem Kontinent nicht die Größe der direkten Bedrohung für die europäische Sicherheit sehen." "Stellen Sie sich vor, islamische Terroristen hätten es geschafft, ihre Hauptstädte im selben Umfang anzugreifen, wie sie am 11. September New York getroffen haben." Die NATO könne sich nicht den "Luxus" erlauben, einige Staaten weniger gefährliche Missionen ausführen zu lassen, während andere "kämpfen und sterben".

Pünktlich zum Anlass gab es am Wochenende Warnmeldungen über die Ausbildung deutscher Terroristen in al-Kaida-Lagern. Allerdings befinden sich diese den Meldungen zufolge in Pakistan. Will die US-Regierung also deutsche Soldaten demnächst auch dorthin einladen? Der Gedanke ist nicht abwegig, wenn man das Interview liest, das die amerikanische Botschafterin bei der NATO, Victoria Nuland, am Freitag der Berliner Zeitung gab. Die gemeinsame Aufstandsbekämpfung in Afghanistan sei "ein Katalysator für die Anpassung des Bündnisses an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts". "Wenn wir am Hindukusch Erfolg habe, werden wir auch das nächste Mal stärker sein, wenn wir aufgerufen sind, unsere Sicherheit und Werte weit weg von zu Hause zu verteidigen."

Die Botschafterin bestätigte damit, dass der Streit letztlich nicht um 1000 oder 2000 deutsche Soldaten mehr für Afghanistan geht, wo sie militärisch kaum einen Unterschied machen würden. Sondern es geht darum, zögerliche Bündnispartner wie Deutschland stärker einzubinden, vor allem auch in Kampfeinsätze, um sie dann auch auf die nächsten strategischen Schritte mitnehmen zu können: Militärintervention in Pakistan, Krieg gegen Iran.

Voraussehbar ist jetzt schon, dass die "Schnelle Eingreiftruppe" von 250 Mann, die Deutschland demnächst nach Afghanistan schicken wird, auf Anforderung auch zu Kampfeinsätzen in den Süden geschickt werden wird. Schwach abgestritten wurde die Meldung des Spiegel, dass das deutsche Kontingent von 3500 auf 4500 Mann aufgestockt werden soll und dass seine Zuständigkeit von der Nordregion auf Teile Westafghanistan ausgedehnt werden soll. Die Dauer des Mandats könnte von einem Jahr auf 18 Monate verlängert werden, um das Thema im Wahljahr 2009 aus dem Bundestag und aus der öffentlichen Diskussion heraus zu halten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 11. Februar 2008