KNUT MELLENTHIN

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Gemeinsame Interessen

Präsidenten der USA und Chinas treffen sich in Washington. Erstmals seit sechs Jahren chinesisches Handelsdefizit

China verbindet mit dem Besuch seines Präsidenten Hu Jintao in Washington Hoffnungen auf eine Entspannung der Beziehungen zu den USA. „Wir glauben, dass wir Herausforderungen in unserem Verhältnis anpacken können“, sagte der stellvertretende Außenminister Cui Tiankai. „Gewiss mögen  China und die Vereinigten Staaten unterschiedliche Ansichten über viele Themen, darunter die Weltwirtschaftskrise und den Handel, unterschiedliche Ansichten haben. Aber wir können die Tatsache nicht übersehen, dass beide auch gemeinsame Interessen haben.“

Hu Jintao nimmt am zweitägigen internationalen Gipfeltreffen zur nuklearen Sicherheit teil, das  gestern in Washington begann. Die Entscheidung des chinesischen Präsidenten zur Reise in die USA war erst Ende März gefallen. Hu wird am Rande der Konferenz zu einem Gespräch mit seinem amerikanischen Amtskollegen Barack Obama zusammenkommen. Das Treffen dürfte hauptsächlich symbolische Bedeutung haben und das Interesse beider Staaten am Ausbau ihrer wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit signalisieren.

Zu den Konfliktpunkten gehört die Forderung der US-Regierung nach einer Aufwertung der chinesischen Währung. Angeblich verschaffe sich China durch einen künstlich niedrig gehaltenen Wechselkurs des Juan unfaire Wettbewerbsvorteile und sei schuld am riesigen Handelsdefizit der USA. Diese These ist allerdings selbst unter US-amerikanischen Finanzexperten nicht unumstritten. In den Jahren 2005 bis 2008 hatte Peking den Kurs des Juan um 20 Prozent steigen lassen. Im selben Zeitraum wuchs jedoch das jährliche Defizit der USA im China-Handel von 202 auf 268 Milliarden.

Die chinesischen Gegner einer Juan-Aufwertung, vor allem in der exportorientierten Industrie und im Handelsministerium, haben durch Zahlen, die am Wochenende veröffentlicht wurden, Auftrieb erhalten. Danach hat China im März dieses Jahres zum ersten Mal seit April 2004 wieder ein Defizit im Außenhandel zu verzeichnen. Es beläuft sich auf 7,24 Milliarden Dollar. Damit hat China, berechnet auf das ganze erste Quartal 2010, immerhin noch einen Überschuss von 14,49 Milliarden. Aber gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres bedeutet das einen Rückgang um rund 77 Prozent.

Das März-Defizit war von chinesischen Experten schon vor einigen Wochen prognostiziert worden. Es beruht darauf, dass Chinas Importe im Vergleich zum März 2009 mit 66 Prozent sehr viel stärker zunahmen als die Exporte mit 24,3 Prozent. Überdurchschnittlich stark stiegen die chinesischen Einfuhren aus Japan (um das Dreifache), Südkorea (plus 76 Prozent) und Taiwan (78,8 Prozent). Gegenüber seinen größten Handelspartnern, der EU und den USA, wies China auch im März Überschüsse auf. Allerdings lagen diese um 13,1 Prozent und 3,5 Prozent niedriger als im März 2009.

Das chinesische Handelsdefizit im März wird allgemein als kurzzeitig interpretiert. Wesentliche Ursachen werden in einer zunehmenden Nachfrage des Binnenmarkts und gestiegenen Preisen für einige Rohstoffe und Güter gesehen. Beispielsweise wurden in China in den ersten drei Monaten 2010 um 72 Prozent mehr Autos verkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Außerdem dient ein erheblicher Teil der chinesischen Einfuhren zur Weiterverarbeitung für den Export. Import-Steigerungen in der Gegenwart lassen daher auf erhöhte Ausfuhren in der Zukunft schließen.

Am Freitag voriger Woche gab das US-Handelsministerium bekannt, dass auf importierte chinesische Stahlröhren, die für die Öl- und Gas-Förderung benutzt werden, künftig Zölle zwischen 30 und 99 Prozent gezahlt werden müssen. Die protektionistische Maßnahme wurde damit begründet, dass chinesische Unternehmen ihre Röhren angeblich zu Dumping-Preisen, also unterhalb der Herstellungskosten, verkaufen. China hatte im vorigen Jahr Röhren im Wert von 1,1 Milliarden Dollar in die USA exportiert. Das entspricht lediglich 0,3 Prozent aller chinesischen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten.

Knut Mellenthin
Junge Welt, 13. April 2010