KNUT MELLENTHIN

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Misstrauen und Freundschaft

Größer könnte der Gegensatz nicht sein: Während die Beziehungen der USA zu ihrem „Schlüsselverbündeten“ von zunehmenden Spannungen und tiefem gegenseitigen Misstrauen beherrscht sind, feierte Pakistan den Besuch des chinesischen Regierungschefs Wen Jiabao. Und während Washington das Land immer weiter in einen destabilisierenden Bürgerkrieg zu treiben versucht, unterzeichneten die Chinesen Handels- und Investitionsverträge, deren Wert in den nächsten fünf Jahren bei 25 bis 30 Milliarden Dollar liegt.

Am Freitag wurden bei amerikanischen Drohnenattacken auf Ziele in der nordwestpakistanischen Region Khyber mindestens 54 Menschen getötet. Zusammen mit einem Angriff am Vortag, der dem gleichen Gebiet galt, liegt die Zahl der Todesopfer bei etwa 60. Khyber, durch das der NATO-Nachschub nach Afghanistan transportiert wird, war von den USA in der Vergangenheit erst zwei oder drei Mal angegriffen worden. Die jüngsten Militärschläge werden deshalb als mögliche Anzeichen für eine Ausweitung des illegalen Drohnenkrieges auf andere Landesteile interpretiert. Über 90 Prozent der Angriffe hatten sich in diesem Jahr gegen Nordwasiristan gerichtet, die übrigen gegen Südwasiristan. Insgesamt gab es im laufenden Jahr 113 Attacken der unbemannten Flugkörper, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. 58 davon fielen in die letzten vier Monate. Schon in seinem ersten Jahr als Präsident 2009 hatte Barack Obama mehr Drohnenangriffe angeordnet als George W. Bush in seiner gesamten Amtszeit.

Am Freitag wurde bekannt, dass der für die Mordflüge maßgeblich verantwortliche CIA-Chef an der amerikanischen Botschaft in Islamabad, Jonathan Bank, überstürzt in die USA zurückgekehrt ist. Der strikt geheimgehaltene Name des Geheimdienstmannes war zuvor in einer Klage aufgetaucht, die ein bekannter pakistanischer Anwalt eingebracht hat. Mirza Shehzad Akbar vertritt einen Bewohner Nordwasiristans, der bei einem Drohnenangriff am 31. Dezember 2009 mehrere Angehörige verlor. Die Klage richtet sich auch gegen CIA-Direktor Leon Panetta und Kriegsminister Robert M. Gates.

Akbar hatte außerdem beantragt, dass die pakistanischen Behörden Bank die Ausreise verweigern sollten, bis die Vorwürfe gerichtlich geklärt sind. Das mag die Flucht des CIA-Mannes beschleunigt haben. US-Dienststellen haben inzwischen den „Verdacht“ lanciert, dass Banks Name dem Anwalt durch Mitglieder des pakistanischen Geheimdienstes ISI mitgeteilt worden sei.

Vor diesem Hintergrund sprach der chinesische Premier am Sonntag während einer gemeinsamen Sitzung beider Häuser des Parlaments in Islam und wies die westlichen Anschuldigungen, Pakistan unterstütze den Terrorismus, zurück. Insgesamt wurden bisher nur sechs ausländische Politiker durch die Einladung zu einer Sondersitzung geehrt. Wen Jiabao ist der erste Chinese unter ihnen. Regierungschef Syed Yusuf Raza Gilani bezeichnete die Beziehungen zwischen beiden Ländern als „einzigartig“: Sie seien geprägt von „Gefühlen der Liebe, der gegenseitigen Achtung und einer tiefen Affinität“, die in den Herzen und Köpfen beider Völker verwurzelt seien. In Washington wird man das nicht gern gehört haben.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 20. Dezember 2010