KNUT MELLENTHIN

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Afghanistan-Einsatz: Grüne arbeiten an ihrem Image

Die Grünen sind an der Seite der SPD in die jüngere deutsche Geschichte eingegangen als die Partei, die das Tor zu weltweiten Bundeswehr-Einsätzen geöffnet hat. Jetzt wollen sie auf einem Sonderparteitag am 15. September den Versuch einer Schadensbegrenzung vornehmen. Zwei Wochen danach werden im Bundestag die drei Afghanistan-Mandate zur Abstimmung stehen: Der Einsatz von 3.000 Soldaten im Rahmen der ISAF, die Unterstützung von NATO-Luftangriffen durch sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge und die Beteiligung an der von den USA außerhalb der NATO-Strukturen geführten Operation Enduring Freedom (OEF). Diese beinhaltet neben 100 Soldaten des KSK (Kommando Spezialkräfte) auch die Teilnahme an der in Dschibuti am Roten Meer stationierten internationalen Kriegsflotte Task Force 150. Derzeit ist Deutschland mit einer Fregatte und 200 Mann/Frau Besatzung dabei. Das vom Bundestag im November 2006 erneuerte Mandat erlaubt eine Aufstockung bis zu 1.800 Mann/Frau, ohne dass deren potentielle Aufgaben jemals öffentlich diskutiert und definiert worden wären.

Einen "Aufstand der Basis" scheint die grüne Führung auf dem Sonderparteitag nicht befürchten zu müssen. Die Beteiligung an der ISAF stehe in der Partei überhaupt nicht zur Diskussion, haben in den letzten Tagen mehrere prominente Kriegsbefürworter den Medien erzählt. An der Basis rührte sich gegen diese Prognose, die den Sonderparteitag im Voraus der Bedeutungslosigkeit preisgibt, kein vernehmlicher Widerspruch.

Wenn es nach den Plänen der grünen Führung geht, wird sich der Sonderparteitag in einer wortgewaltigen Nonsense-Debatte über den angeblich grundlegenden Unterschied zwischen ISAF und OEF verzetteln. Das erste soll mit wirtschaftlichem Aufbau gleichgesetzt werden, das zweite mit kontraproduktiver militärischer Gewalt. Weshalb die Grünen wahrscheinlich, so weit es jedenfalls Afghanistan betrifft, die Ablehnung der weiteren deutschen Beteiligung an der OEF beschließen werden.

Sachlich gewonnen wäre damit gar nichts. Erstens, weil die 100 Mann des KSK schon seit mindestens zwei Jahren gar nicht mehr im Rahmen der OEF eingesetzt werden. Zweitens, weil es zwischen ISAF und OEF kaum noch Unterschiede gibt, seit die NATO im Juni 2005 beschloss, der ISAF die offensive Aufstandsbekämpfung in Südafghanistan zu übertragen. Damals regierte noch Rot-Grün unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

Vier Monate später, am 28. September 2005, beschloss der Bundestag, dass deutsche Soldaten künftig überall in Afghanistan eingesetzt werden können. Das heißt klipp und klar: auch zur Unterstützung von Kampfeinsätzen der NATO-Verbündeten in Süd- und inzwischen sogar in Ostafghanistan. Aus der grünen Bundestagsfraktion stimmten nur Winfried Hermann und Christian Ströbele dagegen. Auf Grundlage dieser Mandatserweiterung hat die Bundeswehr inzwischen Fernmeldetechniker nach Kandahar geschickt und setzt Transportflugzeuge zur Versorgung der ISAF-Kampfeinheiten ein.

Die eigentlich spannende Frage ist daher, ob die grüne Bundestagsfraktion der Erneuerung des ISAF-Mandats in dieser Form zustimmen wird. Wenigstens dazu sollte der Sonderparteitag ein klares Votum abgeben. Bisher scheint darüber aber in der grünen Partei noch nicht einmal diskutiert zu werden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. Juli 2007

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