KNUT MELLENTHIN

Funktionen für die Darstellung

Darstellung:

Seitenpfad

Merkel räsoniert

Die Bundesregierung stellt in Israel ihr seltsames Verständnis von Freundschaft zur Schau.

Der heutige Dienstag steht für Angela Merkel ganz im Zeichen der „deutschen Staatsräson“. Gemeint sind die mit Phrasen überladenen Treueschwüre auf die vermeintlichen Interessen des „Jüdischen Staates“. Die Bundeskanzlerin befindet sich mit 16 Ministerinnen und Ministern im Gefolge seit Montagnachmittag in Israel. Den Begriff der „Staatsräson“ brachte Merkel 2008 in eine Rede vor der Knesset ins Spiel. Was sie damit konkret meinte, hat sie bis heute nicht öffentlich erläutert. Auch ihr imposantes Versprechen, „Israels Sicherheit“ sei „für uns nicht verhandelbar“, harrt immer noch einer verbindlichen Interpretation.

In Wirklichkeit besteht nicht einmal zwischen den wichtigsten Parteien der Knesset Einigkeit, was „Israels Sicherheit“ praktisch bedeutet. Nur die zeitlich unbegrenzte militärische Besetzung und schleichende Annektion des Jordantals, das wegen seiner Wasservorräte lebenswichtig für die Schaffung eines Palästinenserstaates, aber ebenso auch für den Erhalt der zionistischen Siedlungen ist? Oder ist auch schon der nächste israelischen Feldzug gegen Gaza oder den Libanon von Merkel mit einem politischen Blankoscheck ausgestattet? Das wäre nur konsequent, da die Kanzlerin bisher alle israelischen Militäraktionen als legitime „Selbstverteidigung“ gerechtfertigt und gegen Kritik in Schutz genommen hat.

Merkel ist „eine Freundin Israels“, sagte Premier Benjamin Netanjahu am Sonntag während einer Sitzung seines Kabinetts. Der Chef der Doppelpartei Likud-Beteinu führt die am weitesten rechts stehende Regierungskoalition, die Israel jemals hatte. Ebenfalls am Sonntag erzählte Netanjahu dem ZDF, dass es Meinungsverschiedenheiten selbst in den allerengsten Familien gebe. Aber die Deutschen seien „sehr, sehr gute Freunde“.

Auf der anderen Seite empfindet es Außenminister Frank-Walter Steinmeier immer noch als ein unerklärliches gnädiges Wunder, dass Israel zum „Land der Verbrecher“ tatsächlich “Vertrauen gefasst“ habe. Das offenbarte der SPD-Politiker am Montag in einem Kommentar für die meistverkaufte israelische Tageszeitung, Jediot Ahronot. Israel stehe nicht allein, sondern könne sich auf Deutschland und sogar ganz Europa als „wichtige Parter“ verlassen, die sich „entschieden für Israels Legitimierung und sein Existenzrecht einsetzen“.

„Freundschaft“ hat in diesem Kontext eine ganz prosaische Bedeutung: Kein anderer bedeutender westlicher Politiker außer Kanadas Regierungschef Stephen Harper erfüllt so bereitwillig wie die deutsche Kanzlerin fast jeden Wunsch jeder israelischen Regierung und hält sich derart mit Kritik zurück. Mit sechs gelieferten oder im Bau befindlichen U-Booten, die zum Abschuss von Atomraketen geeignet sein sollen, hält Deutschland einen absoluten Rekord. Nur sollte man das nicht Freundschaft nennen, sondern Beihilfe zum Massenmord.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 25. Februar 2014