KNUT MELLENTHIN

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Glückstreffer für Iran

Den iranischen Streitkräften ist offenbar eine hochgeheime Überwachungsdrohne der USA in die Hände gefallen. Teheraner Nachrichtenagenturen hatten am Sonntag unter Berufung auf eine anonyme militärische Quelle gemeldet, dass ein unbemannter Flugkörper des Typs RQ-170 Sentinel ohne größere Beschädigung „zu Boden gebracht“ worden sei. Dabei muss es sich nicht, wie zunächst allgemein angenommen wurde, um einen Abschuss gehandelt haben. Möglich ist auch, dass es dem Iran gelungen ist, sich in die Elektronik der ferngelenkten Drohne einzuschalten und deren Steuerung zu übernehmen. In diesem Fall könnte sie wertvolle Erkenntnisse liefern, während sie bei einem Abschuss aus erheblicher Flughöhe – rund 15.000 Meter – vermutlich weitgehend zerstört wäre.

Weder die iranische Regierung noch die Führung des Militärs oder der gleichfalls militärisch ausgerüsteten Revolutionsgarden haben bisher den Vorfall offiziell bestätigt. Das weitgehende Verstummen der iranischen Medien deutet sogar darauf hin, dass eine Nachrichtensperre verhängt wurde. Dagegen räumten Sprecher des US-Militärs und der internationalen Besatzungstruppen in Afghanistan (ISAF) am Montag ein, dass es sich um eine unbewaffnete Aufklärungsdrohne handeln könnte, die über Westafghanistan im Einsatz gewesen und außer Kontrolle geraten sei. Sie machten zwar keine Angaben über die Art des unbemannten Flugkörpers, dementierten andererseits aber auch nicht die iranische Behauptung, dass es sich um eine RQ-170 gehandelt habe. Inzwischen gehen die US-amerikanischen Medien allgemein davon aus, dass dies wirklich der Fall war, und zitieren entsprechende Äußerungen anonymer Militärangehöriger.

Die seit einigen Jahren von Lockheed Martin produzierte RQ-170 ist in Stealth-Technik gebaut, das heißt, sie ist von feindlichen Radarsystemen kaum zu erfassen. Die Drohne ist so geheim, dass es von ihr bis heute weder ein offizielles Foto noch technische Detaildaten gibt. 2007 wurden nicht sehr scharfe Aufnahmen bekannt, die einen solchen Flugkörper im südafghanischen Kandahar zeigen sollen. Drohnen dieses Typs sollen zur Vorbereitung der US-Militäroperation gegen das angebliche Versteck Bin Ladens im pakistanischen Abbottabad im Mai dieses Jahres eingesetzt worden sein.

Drohnen werden sowohl von den US-Streitkräften als auch von der CIA geflogen. Die Washington Post berichtete am Dienstag unter Berufung auf anonyme Militärangehörige, dass die im Iran niedergegangene Maschine im Dienst des Geheimdienstes gestanden habe. Dies sowie der Umstand, dass es sich um eine Stealth-Drohne handelte, spreche gegen die offizielle Darstellung, wonach der Flugkörper eine Mission über Westafghanistan gehabt habe. Die CIA sei vielmehr mit Einsätzen außerhalb Afghanistans befasst, hauptsächlich gegen Pakistan, aber eben auch, wie der Vorfall nun demonstriert, gegen Iran. Nur für solche Aufgaben macht der spezielle Schutz gegen feindliches Radar Sinn.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. Dezember 2011