KNUT MELLENTHIN

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Heimspiel für Netanjahu

Benjamin Netanjahu drängt die USA, sich eindeutig auf einen Krieg gegen Iran festzulegen. Der israelische Regierungschef wird am nächsten Montag auf dem Jahreskongress der Pro-Israel-Lobby AIPAC in Washington sprechen. Bei dieser Gelegenheit wird er auch mit Präsident Barack Obama zusammentreffen. Die Reise gilt als Heimspiel für den Gast aus Israel: Er weiß eine übergroße Mehrheit des Kongresses automatisch hinter sich. Die Republikaner haben den Vorwurf, der Amtsinhaber sei „soft on Iran“, behandele Iran zu sanft, zu einem zentralen Punkt des Präsidentschaftswahlkampfs gemacht.

Wie die israelische Tageszeitung Haaretz am Mittwoch berichtete, will Netanjahu eine klare öffentliche Aussage erreichen, dass die USA sich für den Fall, dass Iran bestimmte „rote Linien“ überschreitet, auf militärische Aktionen vorbereiten. Wo diese Linien nach Ansicht der israelischen Regierung liegen sollten, ist noch nicht genau bekannt. Möglicherweise könnte die technische „Atomwaffen-Fähigkeit“ als Kriegsgrund ausreichen, die der Iran nach Ansicht von Experten jetzt schon besitzt – ebenso wie 40 oder 50 andere Staaten. Die Vertreter der Pro-Israel-Lobby im amerikanischen Senat haben eine Resolution auf den Weg gebracht, die diese Position unterstützt.

Das Weiße Haus hat, ebenfalls Haaretz zufolge, der israelischen Regierung am Dienstag vorgeschlagen, nach dem bevorstehenden Treffen zwischen Obama und Netanjahu eine gemeinsame Erklärung zu veröffentlichen. Das Ziel soll hauptsächlich sein, die Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Regierungen zu „überbrücken“ und als Drohgeste an Teheran eine „einheitliche Front“ zu demonstrieren.

In der vorigen Wochen hatte der republikanische Senator John McCain, Obamas Gegner bei der Präsidentenwahl 2008, bei einem Besuch in Tel Aviv erklärt, es dürfe in der Bewertung der iranischen Gefahr „kein Tageslicht“ zwischen den Positionen Israels und der USA geben. Gemeint ist, dass die USA-Regierung den israelischen Einschätzungen und Schlussfolgerungen niemals öffentlich widersprechen darf.

Laut Haaretz hatte sich Netanjahu bei McCain über US-amerikanische Politiker und Militärs beschwert, die sich gegen einen Angriff auf den Iran zum jetzigen Zeitpunkt aussprechen. Besonders verärgert sei man über entsprechende Äußerungen von Generalstabschef Martin Dempsey. Der Nationale Sicherheitsberater Obamas, Tom Donilon, der zur selben Zeit wie McCain Israel besuchte, soll Netanjahu versichert haben, dass Dempsey nicht Obamas Meinung wiedergegeben habe und dass dieser „unglücklich“ über die Stellungnahme des Generals sei.

Mehrere Nachrichtenagenturen und Zeitungen haben am Montag gemeldet, dass Israel entschlossen sei, einen eventuellen Angriff auf den Iran der US-Regierung nicht vorher mitzuteilen. Eine solche Entscheidung – die vermutlich einen Krieg in der gesamten Region auslösen und die USA hineinziehen würde - sei „eine innere Angelegenheit“ Israels, in die sich niemand „einmischen“ dürfe.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 1. März 2012