KNUT MELLENTHIN

Funktionen für die Darstellung

Darstellung:

Seitenpfad

Nicht alle Wünsche erfüllt

Obama kommt Israel und seiner Lobby nur teilweise entgegen. Keine offizielle Festlegung auf "rote Linie" für Krieg gegen Iran.

Barack Obama hat sich erneut zum uneingeschränkten Recht Israels bekannt, im Alleingang einen Krieg gegen Iran zu beginnen. Der US-Präsident sprach am Sonntag auf der dreitägigen Jahreskonferenz der Pro-Israel-Lobby AIPAC kurz nach deren Eröffnung. Niemand dürfe, sagte Obama unter starkem Applaus, „Israels souveränes Recht in Frage stellen, selbst zu entscheiden, was erforderlich ist, um seine Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen“. Die Pflicht der USA bestehe darin, die Mittel für einen solchen Krieg – vor dem viele internationale Politiker als „Katastrophe“ für die Region warnen – zur Verfügung zu stellen. „Wir werden das Notwendige tun, um Israels qualitativen militärischen Vorsprung aufrecht zu erhalten, weil Israels ständig die Fähigkeit haben muss, sich selbst mit eigenen Mitteln gegen jede Bedrohung zu verteidigen.“

Mit seinem Satz über „Israels souveränes Recht“ griff der Präsident offensichtlich eine Formulierung des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman auf, die dieser kurz zuvor verwendet hatte. Grundsätzlich wurde dieses Thema aber schon im Juli 2009, ein halbes Jahr nach Obamas Amtsantritt, geklärt. Damals sagte Vizepräsident Joe Biden in einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender ABC, Israel sei berechtigt, jederzeit den Iran anzugreifen. „Wir können einem souveränen Staat nicht vorschreiben, was er darf und was er nicht darf, wenn sie die Entscheidung treffen, dass ihr Überleben von einem anderen Land bedroht ist.“  

Kurz darauf bestätigte der Sprecher des Außenministeriums, Ian Kelly, auf einer Pressekonferenz dass dies die offizielle Haltung der Obama-Administration sei. Der Frage, ob das „grünes Licht“ für einen Angriff bedeute, wollte Kelly nur deshalb nicht zustimmen, weil Israel dafür von niemandem grünes Licht benötige.

In seiner Rede auf der AIPAC-Konferenz am Sonntag ging Obama mit keinem Satz darauf ein, was eine israelische Angriffsentscheidung für die Region, möglicherweise auch für die Welt insgesamt, und insbesondere für die USA bedeuten würde, die fast automatisch in diesen Krieg hineingezogen würden. Der Präsident verzichtete vor diesem Publikum auch auf jede Warnung, dass Militäroperationen zum jetzigen Zeit vielleicht „unklug“ sein könnten, wie führende Militärs und Geheimdienstler der USA in den vergangenen Wochen geäußert hatten. Die israelische Regierung hatte solche Aussagen als „Einmischung in der inneren Angelegenheiten“ ihres Landes zurückgewiesen. Obama beschränkte sich jetzt auf die Bitte, der „Diplomatie“ - gemeint ist damit die Erpressung Irans durch immer schärfere Sanktionen und permanente Kriegsdrohungen – noch eine Chance zu geben, ohne den Zeitrahmen dafür zu präzisieren.

Der Präsident kam in seiner Rede jedoch nicht dem israelischen Drängen nach, sich öffentlich auf irgendeine „rote Linie“ festzulegen, an deren Überschreiten Iran von der geballten Militärmacht der USA gehindert werden würde. Politischer Dissens wurde auch in Obamas Aussage deutlich, seine Politik sei es, „Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu bekommen“. Israel und der AIPAC fordern, dass die US-Regierung schon das Erreichen einer – nicht klar zu definierenden - „Atomwaffenfähigkeit“ Irans zum Kriegsgrund erklären müsse. Außenministerin Hillary Clinton hatte sich diese Formel am vorigen Mittwoch in einer Anhörung des Außenpolitischen Ausschusses des Abgeordnetenhauses zu eigen gemacht.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 6. März 2012