KNUT MELLENTHIN

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Nicht mehr viel länger warten

Netanjahu drängt auf baldigen Krieg gegen Iran. Möglicherweise neue Resolution auf der Vorstandssitzung der Atomenergiebehörde.

Israel hat erneut mit einem militärischen Alleingang gegen Iran gedroht. In seiner Ansprache auf der Jahreskonferenz der Pro-Israel-Lobby AIPAC erklärte Premierminister Benjamin Netanjahu am Montagabend, es dürfe „nicht mehr viel länger gewartet werden“.

Israel habe „geduldig“ darauf gewartet, dass „die internationale Gemeinschaft“ einen Weg finden würde, um „Irans nuklearen Marsch“ zu stoppen. Ein Jahrzehnt lang habe die Welt es mit „Diplomatie“ versucht, ohne dass dies zu Ergebnissen geführt habe. Seit sechs Jahren setze die „internationale Gemeinschaft“ Sanktionen ein, aber auch diese seien bisher wirkungslos geblieben. Israel werde sich immer das „Recht auf Selbstverteidigung“ vorbehalten. „Wir schätzen die großartige Allianz zwischen unseren beiden Ländern sehr hoch. Aber wenn es um Israels Überleben geht, müssen wir stets die Herren unserer Geschicke bleiben.“

Der israelische Regierungschef machte in seiner Rede keine Andeutungen, in welchem Zeitrahmen seine Kriegsdrohung zu sehen sei. Insgesamt hielt er eine stark emotionale Ansprache mit sehr wenig konkreten politischen Aussagen. Auf die bekannten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Führungen der USA und Israels ging er dabei nicht ein. Stattdessen bediente er sich reichlich beim Narrativ vom „machtlosen und staatenlosen Volk, das zu einer starken und stolzen Nation geworden ist, die sich selbst verteidigen kann“. Israel sei „der Vorposten der Freiheit im Nahen Osten“, „der einzige Ort, wo Minderheiten volle bürgerliche Rechte genießen“ und sogar „der einzige Ort, wo Araber volle Bürgerrechte haben“.

Am Schluss seiner Ansprache wandte sich der Premierminister dem Purimfest zu, das am Mittwochabend beginnt. Es erinnert an eine außerhalb der Bibel nicht überlieferte Geschichte vor etwa 2500 Jahren, bei der die in Persien lebenden Juden eine gegen sie gerichtete Verschwörung vereitelten, indem sie präventiv „75.000 ihrer Feinde“ töteten. „In jeder Generation gibt es jemand, der das jüdische Volks vernichten will. Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, wo es einen jüdischen Staat gibt, der in der Lage ist, das jüdische Volk zu verteidigen.“

Zuvor hatte Netanjahu bei seinem Besuch im Weißen Haus dem US-Präsidenten Barack Obama ein Exemplar der Esther-Buchrolle, in der diese Geschichte erzählt wird, als Geschenk überreicht. Beide Politiker beschränkten sich gegenüber der Presse darauf, die Übereinstimmung ihrer Positionen zu betonen. Mit der Formel „Wir sind ihr und ihr seid wir, wir gehören zusammen“ beschwor Netanjahu die absolute Identität der Interessen beider Länder gegenüber den vom Iran angeblich ausgehenden zahlreichen Bedrohungen auf Allen Ebenen. Mit Genugtuung konstatierte der israelische Premier, dass es seiner Regierung gelungen sei, das Thema Iran zum wichtigsten Punkt der internationalen Tagesordnung zu machen.

Ebenfalls am Montag begann in Wien die fünftägige Frühjahrssitzung des Board of Governernors der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). In diesem Gremium sind jeweils, jährlich wechselnd, 35 Mitgliedstaaten vertreten. In seinem Eröffnungsreferat wiederholte Generaldirektor Jukija Amano die bekannten Formeln, darunter auch die „anhaltende große Besorgnis wegen möglicher politischer Dimensionen des iranischen Atomprogramms“. Von den Mainstream-Medien hervorgehoben wurde die Aussage, die Behörde könne die Existenz von nicht deklarierten Atomanlagen im Iran nicht ausschließen. Das ist jedoch lediglich das Standardurteil über alle Staaten, die das sogenannte Zusatzprotokoll nicht unterzeichnet haben. Diese Vereinbarung ist absolut freiwillig. Mehrere Dutzend Staaten sind ihr nicht beigetreten.

Möglicherweise wollen die USA und ihre Verbündeten während der Sitzung eine neue Iran-Resolution beschließen lassen, die als Argument für eine weitere Sanktionsdebatte im UN-Sicherheitsrat dienen könnte. Im Gegensatz zu diesem haben Russland und China im Board of Governors kein Veto-Recht. Beschlüsse können mit einfacher Mehrheit gefasst werden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. März 2012