KNUT MELLENTHIN

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Rätsel um Bombenserie

Israel und Iran machen sich gegenseitig für Anschläge in Indien und Georgien verantwortlich.

Mehrere Explosionen in der thailändischen Hauptstadt Bangkok haben am Dienstag die Spekulationen über eine iranisch inspirierte Bombenserie weiter angeheizt. Angeblich wurde ein Iraner schwer verletzt, als ein Sprengkörper explodierte, den er auf Polizisten werfen wollte. Die Hintergründe waren zunächst unklar.

Zuvor hatte der Sprecher des Teheraner Außenministeriums eine Beteiligung seines Landes an zwei Anschlägen in New Delhi (Indien) und Tbilissi (Georgien) bestritten, die sich am Montag ereignet hatten. Iran verurteile den Terrorismus aufs schärfste und sei selbst dessen Opfer, sagte Ramin Mehmanparast. Die Anschläge seien von israelischen Stellen inszeniert worden, um die freundlichen Beziehungen Irans zu den beiden Ländern zu stören. Indien steht zur Zeit unter schwerem westlichen Propagandabeschuss, weil es daran festhält, einen erheblichen Teil seines Energiebedarfs durch die Einfuhr von iranischem Erdöl zu decken.

In der indischen Hauptstadt war am Montag eine Bombe an einem Auto explodiert, in dem sich die Frau eines israelischen Diplomaten fand. Sie und der Fahrer wurden aus dem brennenden Fahrzeug gerettet. Die ebenfalls bei der Botschaft beschäftigte Israelin erlitt erhebliche, wenn auch nicht lebensgefährliche Verletzungen durch Splitter. Der mit einem Magneten versehene Sprengkörper war von einem Motorradfahrer angebracht worden, als das Auto kurz anhalten musste. Auf die selbe Weise war vor fast genau einem Monat ein 32-jähriger iranischer Universitätsdozent – im Gegensatz zu vielen Meldungen kein Atomwissenschaftler – ermordet worden.

Fast gleichzeitig mit dem Anschlag in New Delhi entdeckte ein bei der israelischen Botschaft in Tbilissi beschäftigter Georgier einen nicht explodierten Sprengkörper an seinem Auto. Er alarmierte die Polizei, die die Bombe entschärfen ließ. Der Mann hatte zuvor sein Kind zur Schule gebracht und war auf der Weiterfahrt zur Botschaft durch ein ungewöhnliches Geräusch an seinem Wagen veranlasst worden, auszusteigen und nachzusehen. In einer seltsamen Parallelität der Ereignisse war die Israelin in der indischen Hauptstadt gerade unterwegs, um ihre Kinder von der Schule abzuholen, als sich die Explosion ereignete. Unter etwas anderen Umständen hätten also in beiden Fällen Kinder zu Schaden kommen können.

Benjamin Netanjahu beschuldigte am Montag den Iran, für die Anschläge in Indien und Georgien verantwortlich zu sein. An Stelle sachlicher Anhaltspunkte für diese Hypothese behauptete der israelische Regierungschef lediglich, Iran sei „der größte Terror-Exporteur der Welt“. Er erwähnte außerdem, dass es „in den letzten paar Monaten“ mehrere Versuche gegeben habe, „israelische Bürger und Juden in einer Reihe von Ländern, so etwa in Aserbaidschan und Thailand anzugreifen“.

Aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku war am 19. Januar die Aufdeckung einer von einem Iraner geleiteten Zelle der libanesischen Hisbollah gemeldet worden. Angeblich hatte die Gruppe Anschläge gegen die israelische Botschaft, zwei einheimische Rabbis und Besucher aus Israel geplant. Kurz zuvor war in Bangkok ein Libanese verhaftet worden. Israelischen Berichten zufolge soll er zu einer Zelle gehört haben, die Sprengstoff hortete und Attentate sowie Geiselnahmen vorbereitete.

Israel bringt die beiden Anschläge vom Montag in Verbindung mit dem Jahrestag des Todes von Imad Moughniyeh. Der hochrangige Hisbollah-Führer wurde am 12. Februar 2008 in der syrischen Hauptstadt Damaskus ermordet, höchstwahrscheinlich vom Geheimdienst Mossad. Seither gibt die israelische Regierung vor jedem Jahrestag dieses Attentats weltweite Alarmmeldungen heraus. Im Februar 2011 wurden alle Israelis vor Reisen nach Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Ägypten, Elfenbeinküste, Mauretanien, Venezuela und in die Türkei gewarnt, da dort Terrorangriffe drohen könnten. In diesem Jahr soll es jedoch keine Hinweise auf die geplanten Anschläge in Georgien und Indien gegeben haben.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. Februar 2012