KNUT MELLENTHIN

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Der Westen hält an seinen Maximalforderungen gegen Iran fest. Gespräche gehen trotzdem weiter.

Im Streit um das iranische Atomprogramm zeichnet sich keine Annäherung der Positionen ab. Zweitägige intensive Verhandlungen in der irakischen Hauptstadt Bagdad endeten am Donnerstagabend ergebnislos. Als mäßiger Fortschritt kann allenfalls die Vereinbarung gewertet werden, die Gespräche am 18. und 19. Juni in Moskau fortzusetzen. Zuvor findet eine mehrtägige reguläre Vorstandstagung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) statt, die am 4. Juni beginnt. Bis dahin muss der Generaldirektor der Behörde, Jukija Amano, seinen nächsten Vierteljahresbericht über den Stand des iranischen Atomprogramms vorlegen. Der Japaner wird dort vermutlich auch eine Einschätzung seines Besuchs in Teheran am Montag geben. Offenbar haben die beiden Seiten dabei Fortschritte bei der Ausarbeitung eines Abkommens erzielt, das Besuche der IAEA in nicht-nuklearen militärischen Anlagen wie Parchin regeln soll.

Zum Auftakt der Gespräche in Bagdad am Mittwochmittag legte die aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China bestehende Verhandlungsgruppe einen gemeinsamen Vorschlag vor. Über seinen Inhalt wurde bisher nur mitgeteilt, dass es hauptsächlich um Irans Anreicherung von Uran auf 20 Prozent geht. Das Material wird benötigt, um einen noch aus den frühen 1970er Jahren stammenden kleinen Reaktor in Teheran zu betreiben, in dem Isotope für die Behandlung von Krebspatienten produziert werden. Iran war gezwungen, diesen Brennstoff selbst herzustellen, nachdem sein Wunsch abgelehnt worden waren, das Material im Ausland zu kaufen. Von waffenfähigem Uran, das auf über 90 Prozent angereichert werden müsste, ist dieser Prozess immer noch weit entfernt.

Presseberichten zufolge verlangt die Sechsergruppe von Teheran, die seit Februar 2010 laufende zwanzigprozentige Anreicherung völlig einzustellen und den bisher produzierten Brennstoff abzuliefern. Außerdem soll Iran seine Anreicherungsanlage in Fordow schließen, die erst seit Dezember 2011in Betrieb ist. Da sie in einem Tunnelsystem unterhalb eines Bergmassivs liegt, wäre sie mit konventionellen militärischen Mitteln kaum zu zerstören.

Die von der Sechsergruppe angebotenen Gegenleistungen sind dem Vernehmen nach äußerst mager: Iran soll die benötigten Isotope für medizinische Zwecke geliefert bekommen und technische Hilfe bei der Modernisierung des Teheraner Reaktors erhalten. Außerdem könnte Iran mit Ersatzteilen für seine uralten und notorisch unfallträchtigen US-amerikanischen Passagierflugzeuge rechnen.

Der Vorschlag der Sechsergruppe bleibt weit hinter den iranischen Erwartungen zurück. Hinzu kommt, dass die USA und ihre Verbündeten darin nur einen ersten Schritt sehen und an ihrer Forderung festhalten, dass Iran jede Form von Uran-Anreicherung aufgeben muss. Also auch die Produktion von Brennstoff für Atomkraftwerke, für den das Uran lediglich auf weniger als 5 Prozent angereichert wird. So lange Teheran das nicht akzeptiert, sollen auch die wirtschaftlichen Strafmaßnahmen, einschließlich des von der EU angekündigten Ölboykotts, in Kraft bleiben.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 26. Mai 2012