KNUT MELLENTHIN

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Überraschende Wende im Atomstreit

Irans Präsident Ahmadinedschad signalisiert Entgegenkommen. Entmutigende Reaktion der US-Regierung.

Iran scheint zum Einlenken im Streit um ein nukleares Tauschgeschäft bereit zu sein. Die US-Regierung reagierte auf diese Entwicklung, die ihren Konfrontationskurs gefährden könnte, mit demonstrativem Desinteresse.

In einer völlig überraschenden Wende hatte Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Dienstag in einem Interview mit dem iranischen Rundfunksender IRIB die bisherige Haltung seines Landes zu dem von der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) vorgeschlagenen Deal revidiert. Er grenzte sich dabei deutlich von den Bedenken einiger seiner „Kollegen“ ab. Ob es sich um einen persönlichen Vorstoß des Präsidenten oder um eine Entscheidung der iranischen Führung insgesamt handelt, war am Mittwoch zunächst unklar. Eine präzise Zusammenfassung der von Ahmadinedschad angedeuteten neuen Position steht noch aus.

Auslöser der Diskussion war ein iranisches Ersuchen an die IAEA, mit 20prozentig angereichertem Uran beliefert zu werden, das als Brennstoff für den Betrieb eines Atomreaktors in Teheran benötigt wird. Die Anlage war dem Iran noch zur Zeit der Schah-Diktatur von den USA geschenkt worden. Dort werden Isotope produziert, die zur Behandlung von Krebspatienten benötigt werden. Der in den 1990er Jahren von Argentinien gelieferte nukleare Brennstoff für den Reaktor geht in diesem Jahr zuende.

Iran hätte es vorgezogen, das erforderliche Uran auf dem Weltmarkt zu kaufen. Stattdessen schlug die IAEA im Oktober 2009 ein von der US-Regierung inspiriertes Tauschgeschäft vor. Danach soll Iran 70 bis 80 Prozent seiner Vorräte an schwach angereichertem Uran nach Russland transportieren. Dort soll das Material auf 20 Prozent angereichert und anschließend in Frankreich zu Brennplatten verarbeitet werden, die etwa ein Jahr später in den Iran geliefert werden sollen.

Iran hatte diesem Vorschlag zwar grundsätzlich zugestimmt, aber Verhandlungen über die technischen Details gefordert. Das war von der US-Regierung kategorisch abgelehnt worden, was praktisch den Vorschlag der IAEA in ein Diktat verwandelte, zu dem Teheran nur noch ja oder nein sagen konnte. Unter anderem wollte Iran erreichen, dass das Tauschgeschäft in mehreren Schüben Zug um Zug abgewickelt werden sollte, um sicher zu gehen, nicht wieder einmal – wie schon öfter in der Vergangenheit – betrogen zu werden. Dahinter stand ein starker politischer Druck, der gemeinsam von konservativen und oppositionell-“reformerischen“ Kräften ausgeübt wurde, um Ahmadinedschad durch den Vorwurf eines Ausverkaufs nationaler Interessen zu schwächen.

Mit seinen Äußerungen vom Dienstag scheint sich der Präsident nun über diese Widerstände hinwegsetzen zu wollen. In dem IRIB-Interview schlug er praktisch vor, es auf die Gefahr eines Betrugs ankommen zu lassen: „Falls sie nicht zurück liefern, was würde passieren? Es würde beweisen, dass wir Recht hatten und dass die IAEA unzuverlässig ist. Das würde sie diskreditieren. Danach wären wir frei, uns für unsere Aktivitäten auf uns selbst verlassen.“ Das 20prozentige Uran könne der Iran notfalls auch selbst herstellen.

Ein Sprecher des US-Außenministers bekräftigte in einer ersten Stellungnahme zu Ahmadinedschads Äußerungen, dass seine Regierung nicht über Änderungen des IAEA-Vorschlags verhandeln werde. „Wenn Iran ihn annehmen will, müssen sie das der IAEA mitteilen.“

Knut Mellenthin

Junge Welt, 4. Februar 2010