KNUT MELLENTHIN

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Vor der Bescherung

Irans Regierung verspricht neues Angebot im Atomstreit, will ihre Karten aber erst heute auf den Tisch legen.

Iran macht es diesmal bis zur letzten Minute spannend: Erst auf dem heute in Genf beginnenden zweitägigen Treffen mit der internationalen Sechsergruppe will Außenminister Mohammad Dschawad Zarif die neuen Vorschläge seines Landes zur Lösung des Atomstreits präsentieren. Munter twitterte er am Freitag: „Keine Hast, keine Spekulationen bitte – natürlich nur, wenn Sie es aushalten können!!!“

Das letzte Treffen zwischen Vertretern Irans und der Verhandlungsgruppe, die aus den USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland besteht, fand Anfang April in Almaty, der früheren Hauptstadt Kasachstans, statt. Danach wurde wegen des Präsidentenwahlkampfs im Iran und dem folgenden Wechsel an der Staatsspitze eine lange Pause eingelegt.

Seitens der Sechsergruppe liegt immer noch ein Vorschlag auf dem Tisch, den sie im Mai 2012 bei Gesprächen in der irakischen Hauptstadt Bagdad vorgelegt und bei einer ersten Begegnung in Almaty im Februar 2013 etwas nachgebessert hatte. In dem ausdrücklich nur als „Zwischenlösung“ deklarierten Paket ist vorgesehen, dass Iran die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent völlig einstellen muss. Von dem bisher angereicherten Material soll Iran nur so viel behalten dürfen, wie zur Herstellung des Brennstoffs für einen kleinen Reaktor in Teheran erforderlich ist, in dem Isotope zur Behandlung von Krebserkrankungen produziert werden. Darüber hinaus soll Iran seine  Anreicherungsanlage in Fordo stilllegen. Sie wäre mit konventionellen militärischen Mitteln  kaum zu zerstören, da sie in einem Tunnelsystem rund 80 Meter tief unter einem Berg liegt. Technische Maßnahmen sollen gewährleisten, dass die Iraner mindestens mehrere Monate brauchen würden, um Fordo wieder in Betrieb zu nehmen, falls sie sich dazu entschließen würden.

Im Gegenzug soll Iran die medizinischen Isotope geliefert bekommen. Außerdem sollen einige nicht näher bezeichnete Sanktionen – aber keine wirklich bedeutenden, wie es heißt – aufgehoben oder ausgesetzt werden könnten. Sämtlich wirklich schwerwiegenden Sanktionen blieben jedoch in Kraft, so lange Iran nicht alle Maximalforderungen der Sechsergruppe, darunter den absoluten Verzicht auf jeden Grad von Uran-Anreicherung und die Einstellung der Bauarbeiten an einem Schwerwasserreaktor in Arak, akzeptiert.

Trotz Sarifs augenzwinkernder Aufforderung werden schon seit mehreren Wochen Gerüchte über den Inhalt der iranischen Gegenvorschläge verbreitet. So behauptete das neokonservative Wall Street Journal am 8. Oktober, unter Berufung auf nicht weiter bezeichnete anonyme Quellen, dass Iran bereit sei, die Beendigung der Anreicherung auf 20 Grad, den Abtransport des bisher produzierten Materials und die Schließung der Anlage in Fordo anzubieten. Im  Gegenzug verlange Iran lediglich, dass die USA und die EU damit „beginnen“ sollten, die Sanktionen zurückzunehmen. Israels Premier Benjamin Netanjahu reagierte auf diese Veröffentlichung vorsorglich mit dem Urteil, bei dem angeblichen Angebot handele es sich nur um „kosmetische Zugeständnisse“.

Iranische Politiker betonten dagegen, dass weder eine Schließung Fordos noch eine Ablieferung von angereichertem Uran in Frage komme. Der stellvertretende Außenminister Sejed Abbas Araqchi, der vermutlich iranischer Verhandlungsführer in Genf ist, sprach allerdings davon, dass über „unterschiedliche Formen, die Menge und den Grad der Anreicherung“ verhandelt werden könne.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. Oktober 2013