KNUT MELLENTHIN

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Wieder Kriegsdrohungen

Netanjahu beendet Propagandapause nach der iranischen Präsidentenwahl. USA wollen noch mehr Angriffswaffen an Israel liefern. 

Genau einen Monat nach der iranischen Präsidentenwahl vom 14. Juni hat Benjamin Netanjahu seine Kriegsdrohungen wieder aufgenommen. In einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender CBS kündigte der israelische Regierungschef am Sonntag an, er werde mit militärischen Aktionen gegen Iran „nicht warten, bis es zu spät ist“. „Wir müssen uns der Frage, wie Iran aufgehalten werden kann, vielleicht zuwenden, bevor es die USA tun.“ Zwar hätten die Iraner mit ihren Atomprogramm noch nicht die „rote Linie“ erreicht, von der Netanjahu am 27. September vorigen Jahres vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sprach. Sie näherten sich dieser aber in beschleunigtem Tempo an und könnten sie „in wenigen Wochen“ überschreiten.

Der internationalen Gemeinschaft warf der israelische Premier vor, kein richtiges Verständnis von der Dringlichkeit des Problems zu haben, sondern sich durch die Ereignisse in Syrien und Ägypten ablenken zu lassen. „Dabei ist Iran das wichtigste, drängendste Thema von Allen. (…) Denn alle Probleme, mit denen wir zu tun haben, und seien sie noch so wichtig, werden winzig gegenüber diesem messianischen, apokalyptischen, extremen Regime, wenn es Atomwaffen haben würde.“

An Israels wichtigsten Verbündeten, die USA, gerichtet, sagte Netanjahu auf CBS, er wisse, dass es amerikanische Politik sei, den Iran am Besitz von Atomwaffen zu hindern. Das reiche aber nicht aus. Wichtig sei jetzt, ganz deutlich zu machen, dass sich an dieser Politik nach der Wahl von Hassan Rouhani zum nächsten iranischen Präsidenten nichts ändern werde. Zu diesem Zweck müssten die Sanktionen immer weiter verschärft werden. Darüber hinaus müsse den Iranern auch gezeigt werden, dass die USA zum militärischen Handeln bereit sind. „Das ist das einzige, mit dem man ihre Aufmerksamkeit gewinnen kann.“

Israels Premier verfolgte mit dieser schrillen Eröffnung einer neuen Runde in der Propagandaschlacht offenbar auch die Absicht, die Staaten der Sechsergruppe zu beeinflussen: Deren Vertreter wollen sich am heutigen Dienstag in Brüssel treffen, um über das weitere Vorgehen gegen Iran zu beraten. Die Gruppe, die ohne Mandat der UN-Vollversammlung im Namen der internationalen Gemeinschaft zu sprechen vorgibt, besteht aus den USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Medienberichten zufolge, deren Quellen jedoch unklar sind, wollen die Sechs die Verhandlungen mit dem Iran frühestens im September wieder aufnehmen. Die letzten Diskussionen zwischen Vertretern der Sechsergruppe und des Iran hatten Anfang April in der früheren Hauptstadt Kasachstans, Almaty, stattgefunden.

Die Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rouhani, die voraussichtlich insgesamt drei Tage dauern wird, beginnt am 3. August. Anschließend wird Rouhani wahrscheinlich eine weitgehende Umbildung des bisherigen Verhandlungsteams vornehmen und auch den Posten des Sekretärs des Nationalen Sicherheitsrats, der zugleich als Chefunterhändler im internationalen Atomstreit fungiert, neu besetzen. Dem derzeitigen Amtsinhaber Said Dschalili hatte Rouhani während des Wahlkampfs „Radikalismus“ und „Inflexibilität“ vorgeworfen.

Indessen plant die US-Regierung, Berichten in USA Today und anderen Medien zufolge, Israel in Kürze mit Waffen zu beliefern, die für Militärschläge gegen Iran nützlich sein könnten. In dem auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzten Paket sollen unter anderem Flugzeuge zum Auftanken in der Luft, weiterentwickelte Radars für die von der israelischen Luftwaffe geflogenen amerikanischen F-15-Düsenjäger, und acht V-22-Ospreys sein. Letztere sind Flugzeuge mit der Fähigkeit zum senkrechten Starten und Landen. Sie könnten zum Transport von Kommandoeinheiten dienen, die direkt gegen Ziele im Iran vorgehen sollen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 16. Juli 2013