KNUT MELLENTHIN

Funktionen für die Darstellung

Darstellung:

Seitenpfad

Worauf Obama stolz ist

USA führen Finanzkrieg gegen Irans Handelspartner. Widerstand Russlands und Chinas gegen Konfrontationskurs nimmt zu.

Für Barack Obama stellt sich am Ende seines dritten Amtsjahres die Bilanz seiner Iran-Politik erstaunlich positiv dar. Während einer Pressekonferenz am 8. Dezember rühmte sich der Präsident der USA: „Ich meine, es ist sehr wichtig, daran zu erinnern, besonders vor dem Hintergrund des Lärms, den einige veranstalten, dass diese Regierung Iran systematisch mit den härtesten Sanktionen belegt hat, die es je gab. Als wir das Amt antraten, war die Welt gespalten. Iran war einig und trieb aggressiv seine eigenen Pläne voran. Heute ist Iran isoliert und die Welt ist sich darin einig, die härtesten Sanktionen anzuwenden, die Iran jemals erfahren hat. Und das hat Auswirkungen im Inneren Irans. Und das ist eine Folge der außerordentlichen Arbeit, die unser nationales Sicherheitsteam geleistet hat.“

Mit dem „Lärm“ meinte Obama die Polemik der republikanischen Bewerber um das Präsidentenamt, die sich gegenseitig darin zu übertreffen versuchen, sich als größte Israelfreunde aller Zeiten zu empfehlen und dem Amtsinhaber vorzuwerfen, dass er mit Iran viel zu „weich“ umgegangen sei. Obama stellt nicht etwa die Grundvoraussetzung seiner Gegner in Frage, dass Iran mit äußerster Härte weichgeprügelt werden müsse, sondern behauptet einfach, dass er in der Praxis der brutalste und konsequenteste von Allen sei. Dass er damit irgendeinen noch so kleinen Erfolg hinsichtlich des eigentlichen Streitgegenstandes erreicht habe, sagt Obama gar nicht erst. Härteste Sanktionen und totale Isolierung Irans sind bloßer Selbstzweck, nichts weiter. Das waren sie im Prinzip auch schon unter George W. Bush, aber diese Tatsache mit einer solchen Offenheit auszusprechen und damit auch noch zu prahlen, blieb dem Friedensnobelpreisträger vorbehalten.

Zudem hat Obama selbst im Rahmen seiner eigenen aggressiven Logik sachlich unrecht. „Die Welt“, und damit meint der Präsident eine Handvoll einflussreicher Staaten, war bei seinem Amtsantritt im Januar 2009 hinsichtlich der US-amerikanischen Iran-Politik sehr viel weniger „gespalten“ als heute. Sein Vorgänger Bush hatte es geschafft, in drei Jahren drei Sanktionsresolutionen des UN-Sicherheitsrats (UNSC) verabschieden zu lassen. Obama brachte es im gleichen Zeitraum nur auf eine einzige.

Ein Blick genügt, um zu erkennen, dass die zeitlichen Abständen zwischen den Resolutionen immer größer werden. Darin widerspiegeln sich nicht etwa Zweifel innerhalb der US-Administration, ob dieser Weg wirklich zweckmäßig ist, sondern zunehmende Probleme, „die Welt“, vor allem aber China und Russland, bei der angestrebten Eskalation des Konflikts mitzuziehen.

Hier die Fakten: Die erste Sanktionsresolution wurde vom UNSC am 23. Dezember 2006 beschlossen, die zweite schon ein Vierteljahr später, am 24. März 2007. Danach dauerte es fast ein ganzes Jahr bis zur dritten Resolution, die am 3. März 2008 über die Bühne ging. Anschließend benötigte Obama mehr als zwei Jahre, bis der UNSC am 9. Juni 2010 die erste und bisher einzige Resolution seiner Amtszeit als US-Präsident verabschiedete. Seither sind schon wieder anderthalb Jahre vergangen. Indessen hat sich aber nichts daran geändert, dass die Entschließungen lediglich einen Zeitraum von 90 Tagen vorsehen, in dem Iran alle gestellten Forderungen bedingungslos erfüllen müsste. Mit anderen Worten: Bereits im September 2010 hätte der Sicherheitsrat über weitere Strafmaßnahmen diskutieren müssen.

Aber die Basis dafür wird immer schlechter. Vor allem die Bereitschaft der Regierungen Chinas und Russlands, Strafmaßnahmen gegen Iran mitzutragen, die sie eigentlich selbst von Anfang an als kontraproduktiv kritisiert hatten, ist unter der Ägide des Friedensnobelpreisträger gegen den Nullpunkt gesunken. Das zeigt sich derzeit auch in der Ablehnung von Sanktionen gegen Syrien.

Die Haltung Moskaus und Peking ist nicht zuletzt durch das Misstrauen geprägt, das der vereinte Westen mit seiner vermutlich beispiellosen Zweckentfremdung der Libyen-Resolution 1973 vom 17. März hervorgerufen hat: Der Auftrag, die Zivilbevölkerung zu schützen, wurde in eine unbegrenzte Lizenz zum parteilichen militärischen Eingreifen in den Bürgerkrieg und zur Erzwingung eines „regime change“ uminterpretiert. Das reichte bis zur direkten Mitwirkung bei der barbarischen Ermordung Muammar al-Gaddafis. Der Schock und der Abscheu, den diese Szenen besonders in Moskau hinterlassen haben, kann überhaupt nicht hoch genug veranschlagt werden. Man sollte danach nicht unbedingt erwarten, dass Russland und China noch einmal bereit sein werden, im UN-Sicherheitsrat eine Resolution passieren zu lassen, über deren praktische Umsetzung sie keine Kontrolle mehr haben würden.

Vor diesem Hintergrund ist es blanker Unsinn und Betrug, wenn Obama und andere westliche Politiker schwadronieren, dass Iran ein von der internationalen Gemeinschaft völlig isolierter „Pariah-Staat“ sei. Die den Westen regierende Kaste spricht immer noch von einer Welt, wie sie vor hundert Jahren auf dem Höhepunkt des kolonialen Zeitalters definiert wurde. Die USA und Westeuropa, selbst wenn man noch Kanada, Australien, Japan und ein paar früher oder später zum Untergang verdammte arabische Diktatoren hinzurechnet, sind durchaus nicht „die Welt“ und bei weitem nicht einmal deren Mehrheit.

Über die Gründe Russlands und Chinas, die absehbar destruktive Konfrontation um das iranische Atomprogramm zumindest ein viel zu langes Stück weit mitzutragen, mag man rätseln. Ganz sicher teilen aber weder Moskau noch Peking die lügenhaften Behauptungen, Iran arbeite an der Entwicklung von Atomwaffen und stehe kurz vor deren Fertigstellung. Ebenso gewiss ist, dass beide Staaten immer wieder der zentralen These des Westens widersprochen haben, die systematische „Isolierung“ Irans sei ein erfolgsversprechender Weg zur Lösung des Konflikts.

Die einseitigen Sanktionen der US-Regierung sind der beste Beweis, dass man sich in Washington in Wirklichkeit keine Illusionen über die Lage macht. Die in immer rasanterem Rhythmus verabschiedeten Strafmaßnahmen der USA richten sich längst nicht mehr hauptsächlich gegen Iran, sondern gegen alle Drittstaaten und ausländischen Unternehmen, die sich der Zwangsgemeinschaft zur „Isolierung“ Irans nicht vollständig unterwerfen. Die einseitigen Sanktionen wären überflüssig, wenn die Welt sich wirklich einig wäre.

Man kann es nicht deutlicher ausdrücken als der demokratische Parlamentarier Steve Rothman aus New Jersey. Über ein vom Abgeordnetenhaus verabschiedetes neues Sanktionsgesetz sagte er am 14. Dezember: „Es sendet eine klare Botschaft an jeden aus, der mit dem Iran noch Handel treiben will, dass Geschäfte mit diesem Land inakzeptabel sind, so lange Iran nicht sein Bestreben aufgibt, die Fähigkeit zur Produktion von Atomwaffen zu erwerben.“ - Was da betrieben wird, ist ein unbeschränkter Wirtschafts- und Finanzkrieg gegen die Handelspartner Irans. Darunter alle seine Nachbarländer, insbesondere Russland, die Türkei, Irak, Afghanistan und Pakistan. Darunter aber auch, nicht zu vergessen, mit China ausgerechnet der größte Gläubiger der am Abgrund des Staatsbankrotts lavierenden USA.

Dass das keine wirklich gute Idee ist, weiß man sogar im Weißen Haus. Aber im kommenden Jahr ist Wahlkampf. Da geht es in den Vereinigten Staaten nicht um außenpolitische Vernunft und nicht einmal um Fakten, sondern nur um unverschämte Demagogie und auftrumpfendes Geschrei. Je kriegerischer, um so wirkungsvoller. Und, so furchtbar das ist, es werden „alle Optionen auf dem Tisch“ sein, einschließlich der katastrophalsten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 17. Dezember 2011