KNUT MELLENTHIN

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Zweifelhafte Erleichterungen

Als Gegenleistung für die Beschränkungen der iranischen Atomprogramms während des in Genf vereinbarten Moratoriums haben die USA und teilweise auch die EU eine Reihe von Sanktionserleichterungen versprochen. Sie haben vorläufigen Charakter und könnten wieder aufgehoben werden, falls nach einem Jahr keine Gesamtlösung zustande kommt oder Iran sich nicht an seinen Teil der Abmachungen hält.

Zu diesen Erleichterungen gehört die Aussetzung der indirekten Sanktionen gegen den Export petrochemischer Erzeugnisse, gegen Zulieferungen für die iranische Autoproduktion, sowie gegen den Handel mit Gold und Edelmetallen. „Indirekt“ bedeutet, dass die angedrohten Strafmaßnahmen nicht den Iran selbst treffen, sondern seine Geschäftspartner. Die USA haben außerdem ihre Bereitschaft bekundet, Ersatzteile für die veralteten, sicherheitsgefährdeten Flugzeuge der iranischen Zivilluftfahrt zu liefern.

Alle Staaten der Sechsergruppe versprechen, während der Laufzeit des Moratoriums keine neuen Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat oder auf nationaler Ebene zu beschließen. Für die USA gilt dabei die wesentliche Einschränkung, dass die Regierung nicht für Handlungen des Kongresses garantieren kann.

Die US-Regierung beziffert in einer ausführlichen Pressemitteilung den Gesamtwert der von ihr versprochenen Sanktionserleichterungen auf rund 7 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr. Der größte Posten in dieser Summe sind jedoch 4,2 Milliarden aus den laufenden iranischen Erdöl-Verkäufen. Irans Kunden – hauptsächlich China, Indien, Südkorea, Türkei und Japan - müssen derzeit ihre Zahlungen, wenn sie nicht riesige Nachteile auf dem US-Markt in Kauf nehmen wollen, über Sperrkonten abwickeln. Iran soll nun erleichterten Zugriff auf einen Teil dieses Geldes erhalten.

Mit 1,5 Milliarden Dollar veranschlagt die US-Regierung den Wert der oben erwähnten Aussetzung verschiedener indirekter Sanktionen. Mit 400 Millionen Dollar schlägt zu Buch, dass es Familien iranischer Studenten im Ausland erleichtert werden soll, Geld für Lebenshaltungskosten und Studiengebühren zu überweisen. Die USA haben durch ein Netz indirekter Sanktionen Geldgeschäfte zwischen Iran und dem Ausland nahezu unmöglich gemacht.

Auf diesem Gebiet liegt auch eine weitere vorgebliche Sanktionserleichterung. Sie betrifft „humanitäre Transaktionen“. Gemeint ist der iranische Import von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Produkten, Medikamenten und medizinischen Geräten. Alles das ist nach der derzeitigen US-amerikanischen Sanktionsgesetzgebung völlig legal. Die von den USA erzwungenen Beschränkungen des Zahlungsverkehrs machen es trotzdem sehr schwer, solche Geschäfte zu realisieren. Um sie zu erleichtern, soll während des Moratoriums ein spezieller „Kanal“ für finanzielle Abwicklungen eingerichtet werden.

Grundsätzlich steht die Frage, wie weit die versprochenen Erleichterungen in den kommenden Monaten überhaupt praktisch wirksam werden können. Die indirekten Sanktionen der USA leben von der Einschüchterung potentieller Geschäftspartner des Iran und einer großen Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet. Diese Faktoren werden ganz sicher nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden. Außerdem können eine Reihe zugesagter „Sanktionserleichterungen“ schon aus technischen Gründen frühestens im Januar 2014 in Kraft treten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 26. November 2013