KNUT MELLENTHIN

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Aus der Sackgasse

Südossetien geht auf Distanz zu seinem Ex-Präsidenten Kokoiti

Zum dritten Mal in vier Monaten waren am Sonntag in Südossetien rund 40.000 Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, ihren Präsidenten zu wählen. Mit dem langjährigen KGB- und Staatssicherheitsmann Leonid Tibilow gibt es einen klaren Sieger. Mit 42,48 Prozent der Stimmen liegt er weit vor dem Zweitplazierten, David Sanakojew, der es nur auf 24,58 brachte. Da Tibilow jedoch die absolute Mehrheit verfehlte, wird es einen zweiten Wahlgang geben, voraussichtlich am 8. April. Mit rund 70 Prozent war die Wahlbeteiligung auffallend hoch.

Die Abstimmung am Sonntag war notwendig geworden, nachdem der oberste Gerichtshof der kleinen Kaukasusrepublik die Stichwahl vom 27. November 2011 annulliert hatte. Die Oppositionskandidatin Alla Dschiojewa, eine ehemalige Erziehungsministerin, hatte sich dabei gegen ihren Gegner Anatoli Bibilow durchgesetzt, der sowohl vom Amtsinhaber Eduard Kokoiti als auch von Russland unterstützt worden war. Das Gericht beschuldigte die Siegerin, gegen die Wahlordnung verstoßen zu haben, und schloss sie von der Wiederholung der Wahl aus. Auch Bibilow trat jetzt nicht wieder an.

Von anfänglich 22 Bewerbern wurden nur vier zur Neuwahl zugelassen. Unter ihnen war kein Oppositionsvertreter mehr. Neben Tibilow und Sanakojew kandidierten der Botschafter der Republik in Moskau, Dmitri Medojew, und der Vorsitzende der traditionalistischen Kommunistischen Partei, Stanislaw Kotschiew. Während Medojew, der als „Mann Moskaus“ gilt, den Einzug in die Stichwahl mit 23,8 Prozent nur knapp verpasste, landete der KP-Chef mit 5,6 Prozent weit abgeschlagen.

Bis auf Sanakojew waren alle Kandidaten bestrebt, sich klar und scharf vom bisherigen Amtsinhaber Kokoiti abzugrenzen, dessen Name sich besonders in den letzten Jahren immer mehr mit Korruption, Amtsmissbrauch und Cliquenwirtschaft verband. Tibilow sagte im Wahlkampf, er wolle das „schwergeprüfte Volk“ der Republik „aus der Sackgasse führen, in die es die korrumpierte Macht Eduard Kokoitis und seiner Umgebung geführt hat“. Sanakojew, der von Kokoiti 2004 zum Menschenrechtsbeauftragten ernannt wurde, gilt hingegen als Platzhalter des Ex-Präsidenten und seiner Gefolgsleute.

Die im vorigen Jahr um ihren Sieg betrogene Alla Dschiojewa verbrachte indessen die vergangenen Wochen unter Polizeibewachung im Krankenhaus, aus dem sie erst am Sonnabend wieder entlassen wurde. Die Lehrerin hatte beabsichtigt, sich am 10. Februar von ihren Anhängern zur Präsidentin ausrufen zu lassen. Einen Tag vorher wurde jedoch ihr Büro von der Polizei überfallen, wobei Dschiojewa eine Herzattacke erlitt. Im Krankenhaus wurde sie völlig von politischen Kontakten isoliert.

Es kam hinzu, dass schon vorher einige ihrer Anhänger dem von ihr vertretenen Konfrontationskurs kritisch gegenüberstanden. Der Cheftrainer der russischen Freistilringer, Dschambulat Tedejew, der Dschiojewa im November unterstützt hatte, sprach sich jetzt für die Wahl Tibilows aus. Tedejew ist in seiner südossetischen Heimat als „Strippenzieher hinter den Kulissen“ bekannt und hatte schon Kokoiti zur Macht verholfen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. März 2012