KNUT MELLENTHIN

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Georgien wirft Russland Putschversuch vor

Die Regierung Georgiens hat am Mittwoch die Zerschlagung angeblicher Putschpläne bekannt gegeben. Der Vorgang hat besondere Bedeutung durch die Behauptung, dass diese Pläne von russischen Geheimdiensten finanziert und gesteuert worden seien. Die Ereignisse werden die ohnehin extrem strapazierten russisch-georgischen Beziehungen noch weiter belasten.

In einer landesweiten Polizeiaktion wurden nach offiziellen Angaben 29 führende Mitglieder der Gerechtigkeitspartei und mehrerer mit ihr verbundener Organisationen verhaftet. Unter den Festgenommenen befindet sich aber auch der Chef der Konservativ-Monarchistischen Partei, die völlig andere Ziele als die Gerechtigkeitspartei verfolgt.

Vorsitzender der 2003 gegründeten Gerechtigkeitspartei ist der im russischen Exil lebende Igor Giorgadse. Er war von 1993 bis 1995 georgischer Minister für Staatssicherheit. Dann wurde er vom damaligen Präsidenten Eduard Schewardnadse bezichtigt, Drahtzieher eines Attentats zu sein, das am 29. August 1995 auf ihn verübt wurde. Giorgadse entzog sich der Festnahme durch Flucht. Gegen ihn besteht ein internationaler Haftbefehl. Am 24. Mai 2006 gab er, sehr zum Ärger der georgischen Regierung, in Moskau erstmals eine Pressekonferenz. Dabei forderte er den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili auf, vorgezogene Neuwahlen des Präsidenten und des Parlaments anzusetzen. Anderenfalls werde es eine "Brennessel-Revolution" geben. Giorgadse spielte damit auf die "Rosen-Revolution" an, mit der Saakaschwili und die von ihm geführte "Nationalbewegung" im November 2003 Eduard Schewardnadse gestürzt hatten.

Die Gerechtigkeitspartei setzt sich für enge, freundschaftliche Beziehungen zu Russland ein und kritisiert die Absicht der georgischen Regierung, möglichst schnell der NATO beizutreten. Die Partei hat nur wenige hundert Anhänger und ist innerhalb der Opposition, die überwiegend radikal-nationalistisch und anti-russisch eingestellt ist, weitgehend isoliert.

Die georgischen Behörden haben, wie Innenminister Wano Merabischwili am Mittwoch erklärte, "mehr als genug Beweise", um gegen die Verhafteten Anklage wegen Verschwörung gegen den Staat und die Regierung zu erheben. Im georgischen Fernsehen wurden, mit dem Rücken zur Kamera sitzend, ein Mann und eine Frau vorgeführt, bei denen es sich angeblich um Mitglieder der Gerechtigkeitspartei handelte. Sie berichteten von Geheimtreffen, auf denen eine bewaffnete Demonstration vor dem Parlament und dem Sitz des Präsidenten vorbereitet worden sei, um die Regierung zu stürzen. Sie hätten den Auftrag gehabt, mehrere hundert Männer für die noch im September geplante Demonstration anzuwerben. Jeder von diesen hätte angeblich zwischen 3000 und 5000 Dollar Sold erhalten sollen. Das Geld hätten russische Geheimdienste zur Verfügung stellen wollen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. September 2006