KNUT MELLENTHIN

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Kalte Schulter für Steinmeier

Als „unannehmbar“ hat Abchasiens Präsident Sergej Bagapsch am Freitag den deutschen Drei-Stufen-Plan zurückgewiesen, der den Dauerkonflikt zwischen Georgien und der kleinen Republik am Schwarzen Meer lösen soll. Damit ist die Reise von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, die ihn über Georgien nach Abchasien und von dort (nach Redaktionsschluss) auch noch nach Moskau führte, offenbar gescheitert. Georgische Politiker hatten am Donnerstag den Plan zwar „im Prinzip“ begrüßt, aber wesentliche Veränderungen gefordert, die eine Annahme durch die abchasische Seite vollends unmöglich machen würden. Ebenfalls schon am Donnerstag hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow zentrale Elemente des deutschen Vorschlag kritisiert.

Das Papier, das die politische Handschrift Steinmeiers tragen soll, wurde bisher nicht veröffentlicht. Lediglich Spiegel Online hatte Anfang Juli unter Berufung auf anonyme Quellen über die angebliche Struktur des Planes berichtet. Demzufolge soll die erste Phase etwa ein Jahr dauern und der Einleitung von „vertrauensbildenden Maßnahmen“ dienen. Dazu sollen die Unterzeichnung eines Nichtangriffsvertrages und die Rückkehr der noch übrigen Flüchtlinge dienen. Während des von Georgien begonnenen Krieges Anfang der 1990er Jahren waren über 200.000 Georgier aus Abchasien geflohen. Erst 50.-70.000 konnten zurückkehren. Sie leben überwiegend in Gali, dem einzigen Bezirk Abchasiens mit einer georgischen Bevölkerungsmehrheit.

In der zweiten Phase des deutschen Vorschlags soll es, laut Spiegel, um den Beginn des wirtschaftlichen Wiederaufbaus der immer noch von den Kriegsfolgen geprägten Republik gehen. Deutschland will zu diesem Zweck eine Geberkonferenz organisieren. Auf der dritten Stufe schließlich soll über den „politischen Status“ Abchasiens gesprochen werden.

Bagapsch bekräftigte beim Treffen mit Steinmeier in Gali, dass der Status der Republik kein Verhandlungsgegenstand sein kann. „Abchasien ist ein unabhängiger Staat, das steht nicht zur Diskussion“. Außerdem seien ohne vorherigen Abzug der georgischen Truppen aus dem oberen Kodori-Tal Gespräche unmöglich. Dieses zu Abchasien gehörende, militärstrategisch wichtige Gebiet hält Georgien unter Bruch des Waffenstillstandsabkommen vom Mai 1994 seit Sommer 2006 besetzt und hat dort in einem Bergdorf eine „Gegenregierung“ eingesetzt. Über eine Rückkehr von weiteren Georgiern nach Abchasien könne erst nach Abschluss eines Nichtangriffs-Vertrages gesprochen werden. Außerdem müsse sie auf Gali beschränkt bleiben, solange der Konflikt nicht beigelegt sei.

Der russische Außenminister Lawrow hat ebenfalls den Abzug der georgischen Streitkräfte aus dem Kodori-Tal und einen Nichtangriffsvertrag als „absolut unverzichtbare erste Schritte“ bezeichnet, bevor man über alle weiteren Fragen sprechen könne. Außerdem seien eine Beruhigung der Lage und das Wirken vertrauensbildender Maßnahmen erforderlich, ehe man einen Vertrag über die Rückkehr der Flüchtlinge unterzeichnen könne.

Auf der anderen Seite will die georgische Regierung von einem Nichtangriffsvertrag nichts wissen. Ganz kurz vor seinem Gespräch mit Steinmeier am Donnerstag verkündete Präsident Michail Saakaschwili vor der versammelten Presse, das sei „ein künstlich geschaffenes Thema“ und „ein Versuch, aus einem Maulwurfshügel einen Berg zu machen“. Die „bedingungslose Rückkehr“ aller Flüchtlinge müsse an erster Stelle jeder Lösung des Konflikts stehen. „Ich möchte sagen, dass die Flüchtlinge nach Abchasien zurückkehren werden und dass wir diesen Prozess zusammen mit der internationalen Gemeinschaft sicherstellen werden.“

Saakaschwili hatte zuletzt am 27. Februar dieses Jahres mit dem Einmarsch georgischer Truppen nach Abchasien gedroht, nachdem ein georgischer Journalist kurzzeitig wegen illegalen Überschreitens der Grenze festgenommen worden war.

Knut Mellenthin

Erweiterte Fassung eines am 19. Juli 2008 in der Jungen Welt erschienenen Artikels