KNUT MELLENTHIN

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Russland geht gegen Georgier vor (9.10.2006)

Russland geht gegen Georgier vor

Im Streit mit Georgien setzt die russische Regierung weiter auf Polizeimaßnahmen gegen Menschen aus dem Nachbarland, die in Russland leben. Am Sonnabend landete in Tbilissi ein Flugzeug mit 130 abgeschobenen Georgiern, die sich angeblich illegal und mit falschen Papieren in Russland aufgehalten hatten. Nach Schätzungen leben bis zu einer Million Georgier in Russland, davon angeblich etwa 300.000 illegal. Die Überweisungen georgischer Arbeitsmigranten und Kleinhändler in die Heimat tragen nicht unwesentlich zur Volkswirtschaft der kleinen Kaukasusrepublik bei. Einige Duma-Abgeordnete fordern jetzt ein Gesetz, das diesen Geldtransfer unterbinden soll.

In der vergangenen Woche wurden in Moskau vier legal betriebene Spielkasinos von der Polizei durchsucht und geschlossen. Angeblich sollen sie der "georgischen Mafia" gehören. Ebenfalls geschlossen wurden, "aus sanitären Gründen", zwei georgische Restaurants in der Hauptstadt.

Gegen den aus Georgien stammenden weltbekannten Kriminalschriftsteller Boris Akunin (richtiger Name: Grigori Tschchartischwili) wurde ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet. Ebenso gegen Surab Tsereteli, den Leiter der Russischen Akademie der Künste.

Russische Kritiker weisen darauf hin, dass es sich um politisch sinnlose Maßnahmen handelt, die die Beziehungen zum georgischen Volk verschlechtern und einen nationalistischen Beigeschmack haben.

Ausgelöst wurde die jetzige Verschärfung des Streits durch die Verhaftung von fünf russischen Offizieren in Georgien. Ihnen wird der Aufbau eines "Spionagenetzes" und die Vorbereitung von "Provokationen" vorgeworfen. Sie wurden inzwischen nach Russland abgeschoben.

Im Hintergrund steht die russische Sorge, dass die Regierung in Tbilissi Militäraktionen gegen Südossetien und Abchasien plant, die sich Anfang der 90er Jahre von Georgien losgesagt haben. Die meisten Bewohner der beiden Republiken haben inzwischen die russische Staatsbürgerschaft erworben.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 9. Oktober 2006