KNUT MELLENTHIN

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"Times": Israel plant Atomschläge gegen Iran

Israel plant den Einsatz von Atomwaffen gegen Iran, meldete gestern die Sunday Times. Die israelische Regierung lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht ab.

Nach Angaben der britischen Zeitung, die sich lediglich auf anonyme, nicht näher bezeichnete "israelische Militärquellen" beruft, üben zwei Luftwaffen-Geschwader bereits den Angriff auf iranische Atomanlagen. Zum Training sollen in den letzten Wochen auch Flüge nach Gibraltar gehört haben, um Aktionen über so lange Strecken durchzuspielen.

Laut Sunday Times will Israel gegen die über 20 Meter tief verbunkerte Anreicherungsanlage in Natanz Atomwaffen einsetzen, die ein Fünfzehntel der Kraft der Hiroschima-Bombe haben. Zuvor sollen mit konventionellen, lasergesteuerten Bomben, die Israel aus den USA erhalten hat, "Tunnel" in die Verbunkerung geschlagen werden. Weitere Hauptziele sollen dem Blatt zufolge die Anlage zur Umwandlung von Roh-Uran in Gasform in Isfahan und der geplante Schwerwasserreaktor in Arak sein.

Miri Eisin, die Sprecherin des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, lehnte eine Stellungnahme mit den Worten "Solche Berichte kommentieren wir nicht" ab. Auch der Minister für Strategische Angelegenheiten, Avigdor Lieberman, wollte sich nicht äußern. In die Zuständigkeit des rechtsextremen Politikers fallen die Kriegsvorbereitungen gegen Iran. Das israelische Außenministerium gab zwar eine Erklärung ab, doch ist diese nicht als Dementi des Berichts der Sunday Times zu interpretieren. Sprecher Mark Regev betonte lediglich, dass zum jetzigen Zeitpunkt der Schwerpunkt der israelischen Aktivitäten auf diplomatischem Gebiet liege.

Die im Besitz eines neokonservativen Verlegers befindliche Sunday Times hatte schon im März 2005 gemeldet, das sogenannte innere Kabinett des damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon habe die konkrete Vorbereitung von Militärschlägen und die Ausarbeitung von Angriffsplänen gegen Iran beschlossen. Zuvor hatte der Spiegel im Oktober 2003 behauptet, dass der israelische Geheimdienst Mossad den Auftrag erhalten habe, Pläne zur Zerstörung der iranischen Atomanlagen auszuarbeiten. Offenbar werden derartige Gerüchte von bestimmten Kreisen ausgestreut, um die iranische Führung zu ausnutzbaren Reaktionen zu provozieren. Die Sunday Times selbst deutet jetzt die Möglichkeit an, dass "Indiskretionen" über einen geplanten israelischen Atomwaffeneinsatz auch dazu dienen könnten, die US-Regierung zu eigenem militärischen Vorgehen zu drängen.

Viele Experten rechnen mit einem amerikanischen Angriff auf den Iran noch vor Ende der Amtszeit von Präsident George W. Bush. Diese läuft im Januar 2009 ab. Einiges spricht jedoch dafür, in die Rechnung zwei weitere Faktoren einzubeziehen. Erstens: Für die US-Regierung wäre es günstig, wenn zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns ihr wichtigster europäischer Verbündeter, Tony Blair, der schon beim Überfall auf den Irak unschätzbare Dienste leistete, noch im Amt wäre. Blair wird voraussichtlich im September des laufenden Jahres zurücktreten. Und zweitens: Wie schon bei der Zerstörung des irakischen Versuchsreaktors durch die israelische Luftwaffe am 30. September 1980 spricht alles dafür, den von russischen Firmen gebauten iranischen Reaktor bei Buschehr anzugreifen, bevor er mit Brennstäben bestückt und in Betrieb genommen wird. Russland hat nach mehreren Verschiebungen angekündigt, die Brennstäbe im September 2007 zu liefern.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 8. Januar 2007