KNUT MELLENTHIN

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Eiszeit dauert an

In den Beziehungen zwischen USA und Pakistan zeichnet sich keine „Normalisierung“ ab.

Die USA haben am Wochenende ihren Stützpunkt Schamsi in der westpakistanischen Provinz Balutschistan geräumt. An ihrer Stelle bezogen zunächst Einheiten des paramilitärischen Grenzkorps Quartier. Die Regierung in Islamabad hatte Washington aufgefordert, binnen 15 Tagen alles Militär- und Geheimdienstpersonal aus der Basis abzuziehen, nachdem US-amerikanische Kampfflugzeuge am 26. November zwei pakistanische Stellungen an der Grenze zu Afghanistan völlig zerstört und dabei 24 Soldaten getötet hatten.

Welche US-amerikanischen Aktivitäten in Schamsi überhaupt noch stattgefunden hatten, ist nicht öffentlich bekannt. Das pakistanische Parlament hatte in der Vergangenheit mehrmals nachgefragt, ohne von der eigenen Regierung klare Antworten zu erhalten. Der Stützpunkt war in den 1990er Jahren von den Vereinigten Arabischen Emiraten als kleiner Privatflugplatz angelegt und von arabischen Fürsten für Jagdausflüge genutzt worden. Nach dem 11. September 2001 wurde er den USA überlassen, die ihn für ihre militärischen Zwecke erheblich erweiterten und ausbauten.

Zumindest zeitweise diente Schamsi als Start- und Landebahn für unbemannte Flugkörper. Angeblich fanden auf der Basis aber schon seit einiger Zeit nur noch Wartungsarbeiten an den Drohnen und gelegentliche Notlandungen statt. Laut Aussagen führender pakistanischer Militärs ist Schamsi immer noch im Besitz der Emirate, die den Stützpunkt an die USA lediglich verpachtet hatten. Pakistanische Medien spekulieren, dass der Flugplatz demnächst wieder den arabischen Eigentümern übergeben werden soll – was neuerlichen Missbrauch durch die USA nicht ausschließen würde.

Als weitere Reaktion auf die Luftangriffe vom 26. November hat Pakistan die Grenzübergänge Torkham am Khyber-Pass und Chaman in Balutschistan geschlossen, über die ein erheblicher Teil des NATO-Nachschubs nach Afghanistan transportiert wird. Schon jetzt ist das die längste Unterbrechung des Transit, den die pakistanischen Behörden jemals angeordnet haben. Regierungschef Yousuf Gilani sagte dem britischen Sender BBC am Sonntag, dass die Schließung noch „mehrere Wochen lang“ fortdauern könne.

Mittlerweile sind hunderte beladene LKWs und Tankwagen in Depots an den Verbindungswegen abgestellt worden. Bei einem Überfall am Sonntag wurden mindestens neun Wagen zerstört. Bereits am vorigen Donnerstag hatten unbekannte Angreifer zwanzig Fahrzeuge abgebrannt, die in einem Terminal in der balutschischen Hauptstadt Quetta standen. Pakistanische Medien berichteten am Wochenende über zunehmende Probleme in den Häfen Karatschi und Bin Qasim, über die der NATO-Nachschub per Schiff nach Pakistan gelangt. Dort stehen jetzt schon mehrere tausend Container und hunderte von Militärfahrzeugen herum, die nicht abtransportiert werden können. Bei einem Andauern der Schließung der Grenzübergänge wird mit Schwierigkeiten für den normalen Frachtbetrieb der Häfen gerechnet.

Das pakistanische Militär hat in der vorigen Wochen angekündigt, Luftabwehrwaffen an der afghanischen Grenze zu stationieren, um künftige Angriffe der USA abwehren zu können. Nach offiziell nicht bestätigten Aussagen anonymer Parlamentspolitiker, die in einer Geheimsitzung über Einzelheiten informiert wurden, sollen die Truppen angewiesen sein, künftig auf eindringende Kampfflugzeuge und Drohnen sofort das Feuer zu eröffnen, ohne sich eine Genehmigung von höherer Stelle holen zu müssen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 13. Dezember 2011