KNUT MELLENTHIN

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Pakistan: Hält der Waffenstillstand zwischen Regierung und Taliban?

Die Tahrik-i-Taliban des nordwestpakistanischen Swat-Tals (TTS) haben am Dienstag einen zeitlich unbegrenzten Waffenstillstand verkündet. Gleichzeitig gab ein Sprecher bekannt, dass als Zeichen guten Willens alle von den TTS gefangen gehaltenen Angehörigen der Sicherheitskräfte frei gelassen werden sollen.

Grundlage der Entscheidung der TTS ist das am Montag vorigerer Woche unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung der Nordwest-Grenzprovinz (NWFP) und der Tehrik-e-Nifaz-e-Scharia-e-Mohammadi (Bewegung zur Durchsetzung des islamischen Rechts, TNSM). Es sieht die Einführung eines am Koran orientierten Justizwesens in der Region Malakand, einen zeitlich unbegrenzten Waffenstillstand und die freiwillige Entwaffnung der Taliban-Rebellen in diesem Gebiet vor. Das Abkommen betrifft hauptsächlich den von den TTS unter Führung von Maulana Fazlullah weitgehend beherrschten Bezirk Swat. TNSM-Gründer Sufi Muhammad, der das Abkommen mit der Provinzregierung aushandelte, ist Fazlullahs Schwiegervater und gilt als Vertreter einer gemäßigt islamistischen Richtung. Die herrschenden Politiker in der Provinz und in Islamabad hoffen, dass Muhammad seinen Schwiegersohn überreden kann, sich dem Friedensvertrag anzuschließen. Pakistans Präsident Asif Ali Zardari hat angekündigt, dass er seine Unterschrift unter das Abkommen erst setzen wird, wenn in Malakand und insbesondere im Swat-Tal Frieden eingekehrt ist.

Wie weit die TTS tatsächlich zur Niederlegung ihrer Waffen bereit sind, ist nach wie vor ungewiss. Zuvor wollen sie noch versuchen, in Verhandlungen bestimmte Bedingungen durchzusetzen. Dazu gehören eine Amnestie für alle Taliban, Anerkennung ihrer faktischen Kontrolle über die Justiz in Swat, Rückzug der Regierungstruppen auf ihre Kasernen und Aufhebung aller Straßen-Kontrollposten. Die Armee hat bereits angekündigt, sich in der Region Malakand auf defensive Aktionen zu beschränken und nur auf Angriffe zu reagieren.

Am Sonntag wurde kurzzeitig der Verwaltungschef von Swat samt seinen sechs Leibwächtern von Taliban entführt und einige Stunden später wieder freigelassen. Anscheinend wurde dadurch die Freilassung von zwei oder drei kurz zuvor inhaftierten Fazlullah-Kämpfern erzwungen. Die Aktion zeigt darüber hinaus die tatsächlichen Machtverhältnisse im Bezirk.

Am Montag haben alle Schulen in Swat den Betrieb wieder aufgenommen. Die Taliban hatten zuvor 122 Mädchenschulen zerstört und deren generelle Schließung gefordert. Inzwischen erklärten Taliban-Sprecher, Mädchen könnten die Schule bis zur vierten Klasse besuchen, aber nur, wenn sie „in islamischer Kleidung“ zum Unterricht kommen. Die Behörden gaben den Schulbesuch am ersten Tag mit nur 10 Prozent an. Neben der prekären Sicherheitslage und der Flucht von rund 250.000 Menschen vor den Kämpfen wird für das schlechte Ergebnis auch die Tatsache verantwortlich gemacht, dass der Schulbeginn überraschend schon eine Woche vor dem Ende der Winterferien erfolgte und viele Eltern nicht informiert gewesen seien. Der Schulbesuch an Privatschulen habe am ersten Tag bei 40 Prozent gelegen.

In Swat sind 350.000 Schülerinnen und Schüler registriert: 250.000 an öffentlichen Schulen, 100.000 an Privatschulen.

Unterdessen ist es in der vorigen Woche zu einem Friedensschluss und Pakt zwischen Baitullah Mahsud (dem Chef der wichtigsten Taliban-Dachorganisation im nordwestpakistanischen Wasiristan) und zwei rivalisierenden Kommandeuren gekommen, die bisher als mit der Regierung verbündet galten. Am Sonntag wurde gemeldet, dass die drei Gruppierungen sich unter neuem Namen – Schura Ittehad-ul-Mudschahidin – zusammengeschlossen haben.

Angeblich wurde der Frontwechsel von Mahsuds Rivalen dadurch ausgelöst, dass es mehrmals Drohnen-Attacken der CIA auf Stützpunkte dieser beiden Kommandeure gab. Das würde den alten Verdacht bestätigen, dass diese Angriffe unter anderem darauf abzielen, die von den USA mit Misstrauen betrachtete Taktik der pakistanischen Regierung, Verbündete unter den Taliban zu suchen, zu stören.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 25. Februar 2009