KNUT MELLENTHIN

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Russland vermittelt

Nach der Annullierung der Präsidentenwahl hält die gespannte Lage in Südossetien an.

Russland hat sich in den Streit um den Ausgang der Präsidentenwahl in Südossetien als Vermittler eingeschaltet. Moskau hat seinen stellvertretenden Stabschef Sergei Winakurow in die kleine Kaukasusrepublik entstandt, wo er am Mittwochabend eintraf. Am Donnerstag war unter anderem ein Treffen mit der Oppositionskandidatin Alla Dschiojewa geplant, die als klare Siegerin aus der Stichwahl am Sonntag hervorgegangen war. Gleichzeitig rief die 62jährige Lehrerin, die der südossetischen Regierung von 2002 bis 2008 als Erziehungsministerin angehört hatte, ihre Anhänger auf, sich erneut in der Hauptstadt Tschinwali zu versammeln, um gegen die Annullierung der Wahl durch den Obersten Gerichtshof der Republik zu protestieren.

Die Stichwahl war notwendig geworden, nachdem im ersten Wahlgang am 13. November keiner der elf Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hatte. Der bisherige Präsident Eduard Kokoity durfte nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antreten. Er hatte seine Unterstützung für Notstandsminister Anatoli Bibilow signalisiert, der zudem auch als Favorit der russischen Regierung gilt. Am 13. November erreichten Bibilow und Dschiojewa jeweils rund 25 Prozent.

Im zweiten Wahlgang lag die Oppositionspolitikerin mit 56 bis 57 Prozent deutlich vor ihrem Gegner, auf den etwa 40 Prozent der Stimmen entfielen. Bibilow war daraufhin seiner Gegnerin Bestechung und Einschüchterung von Wählern sowie Verstöße gegen das Wahlgesetz vor und rief den Obersten Gerichtshof an. Angeblich hatten einige Wahlkämpfer noch am Sonntag Werbung für Dschiojewa betrieben, obwohl das verboten ist. Das Gericht gab dem Antrag am Dienstag statt und erklärte die Wahl für null und nichtig. Außerdem sprach es Dschiojewa das Recht ab, an der Wiederholung der Wahl teilzunehmen, da sie dieses wegen der ihr unterstellten Verstöße verwirkt habe. Dagegen wendet die Politikerin ein, dass es nach Feststellung der Zentralen Wahlkommission in Allen 85 Abstimmungsbezirken keine relevanten Verstöße gegeben habe.

Noch während das Gericht am Dienstag tagte, hatten sich bis zu tausend Anhänger von Dschiojewa im Zentrum Tschinwalis versammelt, um ihren Sieg zu feiern und gegen die Wahlanfechtung zu demonstrieren. Etwa ebenso viele Demonstranten kamen auch am Mittwoch zusammen und harrten trotz starken Schneefalls bis Mitternacht vor dem Regierungsgebäude aus. Nach dem Maßstab der kleinen Republik ist das eine ungewöhnlich große Menschenmenge. Offiziell hat Südossetien rund 70.000 Einwohner. Kenner der Verhältnisse gehen aber davon aus, dass in der Republik nur noch zwischen 20.000 und 30.000 Menschen leben. Zehntausende sind wegen der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Lage ausgewandert, hauptsächlich nach Nordossetien und nach Moskau, haben allerdings in der Regel ihr Bürger- und Wahlrecht behalten.

Das russische Außenministerium verbreitete am Mittwoch eine Stellungnahme, in der es „alle politischen Kräfte“ Südossetiens dazu aufrief, „die von den höchsten Organen der Regierung getroffenen Entscheidungen zu respektieren“. Auf diese Erklärung, die eine kaum verhüllte Parteinahme für die Wahlannullierung und damit für Bibilow darstellte, folgte einige Stunden später eine zweite Verlautbarung. In dieser hieß es nun, dass Russland zwar die äußere Sicherheit Südossetiens gewährleiste, aber nicht die Absicht habe, sich in dessen innere Angelegenheiten einzumischen. Die Lage nach der Stichwahl erfülle Russland allerdings mit Sorge. „Wir hoffen aufrichtig, dass es möglich sein wird, die verfassungsmäßige Ordnung, Ruhe und Einheit der Gesellschaft in Südossetien aufrecht zu erhalten.“

Das Parlament der Republik hat inzwischen den Termin für die Wahlwiederholung auf den 25. März festgesetzt. Bis dahin bleibt Kokoity im Amt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. Dezember 2011