KNUT MELLENTHIN

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Kenia liefert Somalia-Flüchtlinge aus

US-Spezialisten angeblich an Folterverhören beteiligt

Kenia hat mindestens 150 Menschen, die vor den Kämpfen im Nachbarland Somalia geflüchtet waren, heimlich an die somalische "Übergangsregierung" und an Äthiopien ausgeliefert. Sie werden in unbekannten Haftanstalten gefangen gehalten und unter Beteiligung US-amerikanischer Spezialisten verhört. Das berichtet die liberale britische Tageszeitung "Independent" unter Berufung auf kenianische Menschenrechtsorganisationen. Kenia gehört ebenso wie Äthiopien zu den wichtigsten Verbündeten der USA in Nordostafrika. Die Zusammenarbeit der Militärs und Geheimdienste ist sehr eng.

Dem "Independent" liegen Unterlagen über drei Charterflüge aus Nairobi nach Baidoa - bisher Sitz der "Übergangsregierung" - und in die somalische Hauptstadt Mogadischu vor. Diese Gefangenentransporte sollen im Januar und Februar stattgefunden haben und insgesamt rund 80 Personen an Bord gehabt haben. Einige Gefangene sollen sich jetzt in einem Geheimgefängnis am Flughafen von Mogadischu befinden, wo sie an die Wand gekettet sind. 50 bis 60 Menschen, die der Zugehörigkeit zu äthiopischen Rebellengruppen verdächtig waren, wurden direkt nach Addis Abeba geflogen. Das äthiopische Regime ist für seine Menschenrechtsverletzungen, unter anderem die Anwendung der Folter, bekannt. Auch von den zunächst nach Somalia deportierten Gefangenen wurden viele später nach Addis Abeba weitergeflogen. Die somalische Regierung stützt ihre Macht in erster Linie auf Tausende äthiopischer Soldaten und ist stark vom Regime des Nachbarlandes abhängig.

Dem Bericht des "Independent" zufolge waren die festgenommenen Flüchtlinge in Kenia zunächst wochenlang gefangen gehalten worden, ohne dass ihre Familienangehörigen, Menschenrechtsorganisationen oder Anwälte Zugang zu ihnen hatten. Eine medizinische Versorgung der Kranken und Verletzten habe nicht stattgefunden. Unter den Gefangenen hätten sich 17 Frauen und 12 Kinder befunden. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen in Nairobi wurden sie unter Beteiligung amerikanischer und britischer Beamter verhört. Es habe sich um Staatsangehörige von rund 20 Ländern gehandelt, darunter Kenianer, Tunesier, Jemeniten, Saudis, Briten und US-Amerikaner. Nach Darstellung der Menschenrechtler waren die meisten ehemalige somalische Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückgekehrt waren, um dort als Lehrer oder Kleinhändler zu arbeiten. Einige britische und amerikanische Bürger seien direkt nach Großbritannien und in die USA ausgewiesen und dort freigelassen worden.

Für den Außenminister der somalischen "Übergangsregierung", Ismail Mohammed Hurre, sind die Verschleppten "in jedem Sinn des Wortes internationale Terroristen". Sie hätten an der Seite der fundamentalistischen Union der Islamischen Gerichte (UIC) gekämpft. Auch für den US-Botschafter in Nairobi, Michael Ranneberger, handelt es sich um "Terroristen und Extremisten". Er dankte den kenianischen Behörden ausdrücklich für ihre "Zusammenarbeit".

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. März 2007