KNUT MELLENTHIN

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Somalia: "Nationale Versöhnung" in weiter Ferne

Gestern hätte in Somalia die seit Monaten angekündigte "Nationale Versöhnungskonferenz" zur Beendigung des Bürgerkriegs beginnen sollen. Doch am Mittwoch gab die "Übergangsregierung" bekannt, dass die Konferenz auf den 15. Juli verschoben ist. Als Grund werden "unvorhergesehene Umstände" angegeben. Außerdem hätten einige Clans um mehr Zeit für die Wahl ihrer Delegierten gebeten.

Seit die "Übergangsregierung" Ende Dezember vorigen Jahres mit Hilfe äthiopischer Truppen die Macht an sich gerissen hat, verspricht sie eine "Versöhnungskonferenz". Sie soll mehrere Monate dauern und bis zu 3.000 Vertreter aller relevanten gesellschaftlichen Kreise zusammenführen. So jedenfalls die Theorie. In Wirklichkeit stand von Anfang an fest, dass die wichtigste Oppositionskraft, die fundamentalistische Union der Islamischen Gerichte (UIC), ausgesperrt bleiben soll. Die Konferenz hätte schon am 16. April beginnen sollen, war aber wenige Tage vorher um zwei Monate verschoben worden. Grund: die schlechte Sicherheitslage in der Hauptstadt Mogadischu.

Es folgte in der zweiten Aprilhälfte der Angriff der äthiopischen Besatzungstruppen und der Regierungsmilizen auf mehrere Stadtteile Mogadischus, die vom oppositionellen Hawije-Clan dominiert wurden. Angeblich sollten dadurch bessere Voraussetzungen für das Stattfinden der "Versöhnungskonferenz" geschaffen werden. Bei den Kämpfen legte das äthiopische Militär durch Panzer- und Artilleriefeuer die Hälfte der Stadt in Trümmer. Nach UNO-Schätzungen flüchteten über 400.000 Menschen aus Mogadischu. Nur rund ein Viertel von ihnen sind inzwischen zurückgekehrt. Viele fürchten sich vor Verfolgung durch die "Übergangsregierung". Außerdem wurde die ohnehin schlechte Infrastruktur der Hauptstadt durch die äthiopischen Angriffe weitgehend zerstört.

Dass die "Versöhnungskonferenz" nicht wie angekündigt beginnen würde, war schon seit Tagen vermutet worden. Weder standen die Teilnehmer fest noch waren irgendwelche Vorbereitungen getroffen worden. Am Dienstag erklärte ein führender Vertreter des Hawije-Clan, er werde an der Konferenz nicht teilnehmen. Der Vorsitzende des Ältestenrats der Hawije, Hadschi Abdi Iman, erklärte, der Clan sei nicht grundsätzlich gegen eine solche Konferenz, aber sie müsse "transparent und frei von Manipulationen" sein.

Die UIC hat dazu aufgerufen, die Konferenz zu boykottieren. Einer der Führer der Union, Scharif Scheikh Ahmed, erklärte am Dienstag, vor dem Beginn von Versöhnungsgesprächen müssten "einige sehr wichtige Schritte" erfolgen. Erstens müssten die äthiopischen Truppen Somalia verlassen. Zweitens müsse ein "geeigneter Ort" für die Gespräche vereinbart werden. Und drittens müsse "eine neutrale Partei" die Rolle des Vermittlers übernehmen.

Die UIC hat sich inzwischen mit Kräften, die früher die "Übergangsregierung" unterstützten, zu einem Oppositionsbündnis zusammengeschlossen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 14.6.2007