KNUT MELLENTHIN

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Somalia: "Übergangsregierung" auf Konfrontationskurs

Der Chef der somalischen "Übergangsregierung", Ali Mohammed Gedi, hat am Montag sein neues Kabinett vorgestellt. Zuvor hatte "Übergangspräsident" Abdullahi Jusuf am 7. August die bisherige Regierung für aufgelöst erklärt, nachdem die Mehrheit der Minister und Staatssekretäre ihre Ämter niedergelegt hatten. Sie werfen Gedi vor, einer Politik der "nationalen Aussöhnung" mit der ICU (Union der Islamischen Gerichte) im Weg zu stehen, die große Teile Somalias beherrscht. Die Kritik der Zurückgetretenen richtet sich außerdem dagegen, dass Gedi und Jusuf immer mehr Soldaten aus dem verfeindeten Nachbarland Äthiopien nach Somalia holen, um sich auf eine militärische Konfrontation mit der ICU vorzubereiten.

Gedi ebenso wie Jusuf sind in ihre Funktionen nicht durch demokratische Wahlen gelangt, sondern repräsentieren nur einen brüchigen Kompromiss zwischen mehreren Clanchefs. Sie werden aber von der UNO, von der Afrikanischen Union und vor allem von Äthiopien unterstützt, das seinerseits eng mit den USA zusammenarbeitet. Die "Übergangsregierung" residiert in der Provinzstadt Baidoa und hat über deren engere Umgebung hinaus kaum Einfluss. Die Hauptstadt Mogadischu hingegen wird von der ICU kontrolliert, die in den vergangenen Wochen ihren Machtbereich immer weiter ausgedehnt hat. Dieser Prozess verläuft fast völlig kampflos, da sich die Mehrheit der somalischen Bevölkerung von der ICU die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und Stabilität nach 15 Jahren Bürgerkrieg verspricht.

Die Neubildung der Regierung war von einigen Kräften Somalias, die bisher die "Übergangs"-Politiker unterstützt hatten, als Chance für eine Einbeziehung der ICU gesehen worden. Die Signale weisen aber in die entgegengesetzte Richtung. Vor allem mit der Ernennung von Mohamed Farah Aidid zum Verteidigungsminister demonstrieren Gedi und Jusuf ihren Willen zur Konfrontation mit der ICU. Aidid wanderte mit 14 Jahren in die USA aus, diente dort bei den Marines und war später Soldat der US-Truppen, die 1992-1995 im Rahmen einer UN-Mission in Somalia zu intervenieren versuchten. Anschließend rief Aidid sich erfolglos zum Präsidenten aus und zog sich dann nach Äthiopien ins Exil zurück.

Unterdessen hat die ICU am Wochenende angekündigt, dass sie "das ganze somalische Volk" zu einer "Konferenz der Nationalen Versöhnung" in Mogadischu einladen will. Die Somalis müssten miteinander reden und ihre Meinungsverschiedenheiten ohne Einmischung von außen lösen, sagte ein ICU-Sprecher. Einen Termin für die Konferenz nannte er nicht. Die Baidoa-Regierung bezeichnete den Vorschlag als "unverantwortlich" und rief die ICU zu direkten Verhandlungen auf. Diese lehnt aber Gespräche ab, solange äthiopische Truppen im Land sind.

Am Wochenende war gemeldet worden, dass die Äthiopier jetzt auch den Flughafen von Baidoa übernommen haben, nachdem die dort stationierten Soldaten der "Übergangsregierung" zur ICU übergelaufen sind.

Knut Mellenthin

JW, 23. August 2006