KNUT MELLENTHIN

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Tausende flüchten nach schweren Kämpfen aus Mogadischu.

Rolle der USA bei der äthiopischen Invasion größer als bisher zugegeben.

Die äthiopische Regierung hat am Wochenende einen Bericht der New York Times über geheime militärische Aktivitäten der USA in ihrem Land als "frei erfunden" dementiert. Zuvor hatten in der Nacht vom Freitag auf Sonnabend in der somalischen Hauptstadt Mogadischu die bisher schwersten Gefechte seit dem Einmarsch äthiopischer Truppen in das Nachbarland vor zwei Monaten stattgefunden. Nachdem Unbekannte äthiopische Stellungen mit Raketen, Mörsern und Handfeuerwaffen beschossen hatten, eröffneten die Besatzungssoldaten mit Panzern und Artillerie das Feuer auf Wohngegenden, in denen sie die Angreifer vermuteten. Mindestens zehn Tote und über 50 Verletzte wurden in den Krankenhäusern registriert. Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes sind aufgrund des jüngsten Zwischenfalls mehrere Tausend Menschen aus ihren Wohnungen in andere Stadt- oder Landesteile geflüchtet. Das IRK hat alle Beteiligten aufgefordert, die Zivilbevölkerung zu schonen und zu schützen. Seit Jahresanfang seien mindestens 430 verletzte Zivilisten in zwei der drei Krankenhäusern der Hauptstadt behandelt worden. Über die Zahl der Toten gebe es keine verlässlichen Angaben. Sie werde auf mehrere Dutzend geschätzt, so das Rote Kreuz.

Die Sicherheitslage in Mogadischu hat sich seit der Einnahme der Stadt durch äthiopische Truppen am 28. Dezember dramatisch verschlechtert. Auf vielen Straßen haben bewaffnete Banden Sperren errichtet, an denen sie von der Bevölkerung, von Händlern und Transportfahrern zwangsweise "Gebühren" kassieren. Frauen trauen sich wegen der Gefahr von Vergewaltigungen nachts nicht mehr auf die Straße. Wegen der unzureichenden sanitären Anlagen war es bisher vielfach üblich, sich nach Einbruch der Dunkelheit im Freien zu erleichtern.

Wie die New York Times am Donnerstag berichtete, war die Rolle der USA bei der äthiopischen Invasion ins Nachbarland erheblich größer als offiziell zugegeben. Schon bisher deuteten eine Reihe von Anzeichen darauf hin, dass die US-Regierung den Äthiopiern grünes Licht für ihren Überfall gegeben hatte, um die fundamentalistische UIC (Union der Islamischen Gerichte) zu zerschlagen, die seit Juni vorigen Jahres Mogadischu kontrollierte. Der New York Times zufolge wurde die Aggression auch mit "Gefechtsfeld-Informationen" unterstützt, die durch amerikanische Spionage-Satelliten gewonnen worden waren. US-Offiziere haben dem Blatt zufolge seit mehreren Jahren äthiopische Truppen ausgebildet, darunter auch Spezialeinheiten, die beim Überfall auf Somalia eine zentrale Rolle spielten.

Nach Angaben der New York Times unterhalten die US-Streitkräfte in Äthiopien und Kenia geheime Stützpunkte, in denen Angehörige von amerikanischen Spezialeinheiten wie der Task Force 88 stationiert sind. Von hier aus seien auch die Luftangriffe am 7. und 23. Januar auf südsomalisches Gebiet geflogen worden, die angeblich "al-Kaida-Terroristen" treffen sollten, sich aber in Wirklichkeit offenbar gegen die UIC richteten. Nach Berichten von Augenzeugen wurden bei den Angriffen mehr als 100 Zivilisten getötet, darunter Nomaden, die an einer Wasserstelle übernachtet hatten. Bisher war angenommen worden, dass die Kampfflugzeuge vom US-Stützpunkt in Dschibuti aus gestartet waren.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 26. Februar 2007