KNUT MELLENTHIN

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US-Regierung lässt somalischen Oppositionsführer töten

Der US-Regierung ist es offenbar am Mittwoch gelungen, in einer gezielten Militäroperation einen der bekanntesten Führer der bewaffneten Opposition Somalias zu töten. Es war bereits der vierte US-amerikanische Angriff, seit im Dezember 2006 äthiopische Truppen die fundamentalistische Union der Islamischen Gerichte (UIC) aus der Hauptstadt Mogadischu vertrieben. Zuletzt hatte die US-Marine im März Raketen auf eine Kleinstadt im Süden Somalias abgeschossen

Sprecher des für die Region zuständigen Kommandos Mitte der US-Streitkräfte bestätigten am Donnerstag die gezielte Tötungsaktion "gegen ein bekanntes Al-Kaida-Ziel", verweigerten aber jede genaue Auskunft, gegen wen sie sich richtete und wie sie erfolgte. Ein Sprecher der Schabab, des bewaffneten Arms der UIC, gab bekannt, dass sich unter den insgesamt 15 Menschen, die bei dem Angriff ums Leben kamen, ihr militärischer Führer Aden Haschi Ayro und ein weiterer hochrangiger Kommandant befunden hätten. Die Aktion richtete sich gegen ein Haus in der mittelsomalischen Stadt Dhusamareb (300 Kilometer nördlich von Mogadischu) und zerstörte zugleich auch ein benachbartes Haus völlig. Insgesamt wurden 25 Häuser durch die Explosionen abgedeckt, zum Teil stark beschädigt. Nach Angaben örtlicher Clan-Ältester wurden 30 Leichen aus den Trümmern geborgen. Bewohner berichten, dass der Angriff durch drei Flugzeuge vom Typ A-130 erfolgt sei, die Raketen abgeschossen hätten.

Die US-Regierung hatte al-Schabab im März auf die Liste der "Terrororganisationen" gesetzt. Ayro war schon lange als "Führer der al-Kaida-Zelle in Somalia" bezeichnet worden. Im Januar 2007 war er einem gezielten Tötungsversuch der US-Streitkräfte knapp entgangen. Für die Existenz einer al-Kaida-Zelle in dem ostafrikanischen Land, das sich seit 1991 im Bürgerkrieg befindet, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte. UIC und al-Schabab bestreiten jeden Zusammenhang. Tatsächlich haben beide Organisationen eine breite Basis in der somalischen Bevölkerung. Im Oppositionsbündnis arbeiten sie mit Politikern zusammen, die bis vor wenigen Monaten noch die Regierung unterstützt hatten, die sich nur dank der äthiopischen Besatzungstruppen an der Macht halten kann.

Seit Jahresanfang hat die Opposition die meisten größeren Städte des Landes vorübergehend in ihre Gewalt gebracht, einige sogar zwei oder drei Mal. Aus der mittelsomalischen Provinz Hiran flüchtete der Gouverneur, nachdem Rebellen den örtlichen Armeekommandeur getötet hatten. Der Versuch von Ministerpräsident Adde Hassan Hussein, eine neue Provinzverwaltung einzusetzen, scheiterte am Mittwoch: Die Mehrheit der Ernannten weigert sich, ihre Ämter anzutreten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 3. Mai 2008