KNUT MELLENTHIN

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Süderstraße 007 - Lizenz zum Töten?

Der kleine Mann, vermutlich um die Mitte 60, freute sich diebisch und grinste wie ein Lausbub, dem ein besonders guter Streich gelungen war. Die Verkäuferin im Geschäft für Baby- und Kinderausstattung hatte nicht schlecht gestaunt, als er nach einem Kinderwagen fragte und sich verschiedene Modelle zeigen ließ. Als sie sich vorsichtig an die Frage herangetastet hatte, wie alt denn sein Enkelkind sei, hatte der kleine Mann launig geantwortet: "Der ist nicht für mein Enkelkind, den brauche ich selber..." - und nach einer gut ausgespielten Kunstpause hatte er hinzugefügt: "für meine Kampfhunde!" - Da war es der jungen Frau plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen: "Ja, Sie sind doch der Herr Poggendorf vom Tierheim!"

Der Kinderwagen ist Bestandteil der vielfältigen Utensilien, die in diesem Frühjahr vom Tierheim in der Süderstraße zur Ausgestaltung eines sogenannten "Wesenstests" angeschafft wurden. Dieser Versuchsreihe sollen alle vom Geschäftsführer des Hamburger Tierschutzvereins,  Wolfgang Poggendorf, als "Kampfhunde" bezeichneten Tiere unterworfen werden. 90 der etwa 270 in der Süderstraße untergebrachten Hunde rechnet der Chef mittlerweile dieser Kategorie zu. Manchmal behauptet er auch gegenüber Journalisten, es seien 90 Pitbulls. So genau nimmt er es nämlich grundsätzlich nicht. Wer will denn das schon definitiv unterscheiden: Pitbullterrier, Staffordshire Bullterrier...- "Beweisen Sie mir doch mal, dass das kein Pitbull ist!"

"Wesenstests" sind heute ein beliebtes Element der aufgeheizten Polemik um die "Kampfhunde". Sie sollen dazu dienen, ein Bild über den Charakter und die individuelle Gefährlichkeit von Hunden zu gewinnen, indem die Tiere mit simulierten Normalsituationen der Alltags, aber auch mit inszenierten Überraschungen, wie beispielsweise einem laut scheppernden großen Sack voll Blechbüchsen, einer knallenden Pistole oder dem jähen Aufklappen eines Regenschirms direkt vor ihrem Gesicht, konfrontiert werden. Praktischer Zweck solcher Testreihen war ursprünglich wohl einmal, individuelle Schwächen der Hunde zu erkennen, um dann auf dieser Grundlage erzieherisch und unter Umständen auch therapeutisch gezielt eingreifen zu können, sowie bestimmte Eigenheiten des Tieres bei der Vermittlung berücksichtigen zu können. (Beispiel: Im Test stellt sich heraus, dass der Hund aufgrund seiner schlechten Erfahrungen mit dem früheren Besitzer "allergisch" gegen Alkoholgeruch reagiert. Er kann aber ohne weiteres an Menschen vermittelt werden, die selbst keinen Alkohol trinken.)

Erstmals werden solche Tests jetzt aber in einer Reihe von deutschen Tierheimen dazu missbraucht, um das Töten von Hunden, euphemistisch zumeist als "Einschläfern" bezeichnet, zu rechtfertigen und auf eine angeblich wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Fällt der Hund durch, droht ihm nämlich die Todesspritze - vorausgesetzt, der zuständige Amtstierarzt lässt sich beeindrucken und gibt seine Zustimmung. (1)

Das Hamburger Tierheim in der Süderstraße steht mit der Praktizierung des Todestests leider nicht allein da. Die Welt am Sonntag schrieb am 4.6.2000: "In deutschen Tierheimen hat eine wohl einmalige Tötungswelle begonnen. (..) Es ist nur der Anfang einer regelrechten Massentötung von mehreren Hundert Tieren."

Dpa meldete am 5.6.2000 aufgrund eigener Anfragen bei den Tierheimen: "Auch in Düsseldorf, Köln und Troisdorf sind extrem gefährliche Kampfhunde bereits getötet worden - in Düsseldorf warten derzeit elf Kampfhunde auf den Tod durch Giftspritze". Auch sie hatten den "Wesenstest" nicht bestanden.

Die Sprecherin des Berliner Tierheims, Carola Ruff, teilte dpa beiläufig mit, schon im Jahr 1999 seien dort etwa 100 "gefährliche Hunde" getötet worden, überwiegend "Kampfhunde". "Das ist kein Novum", betonte sie kühl, und versteht offenbar die ganze Aufregung überhaupt nicht, die durch die Meldung der Welt am Sonntag vom 4. Juni ausgelöst worden war, in Lankwitz seien 20 "Kampfhunde" nach Nicht-Bestehen des Tests getötet worden. Dass die Tötungen im Berliner Tierheim Resultat eines "Wesenstests" waren, dementiert Frau Ruff - und beziffert die Zahl der in den ersten fünf Monaten dieses Jahres getöteten Hunde auf 50 (14). In einer Zeit, wo der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, gegenüber Journalisten behauptet, die Zahl der in deutsche Tierheime eingelieferten "Kampfhunde" habe sich in den letzten Monaten verzehnfacht (12) - eine weit übertriebene Dramatisierung der Lage - ist in Lankwitz nicht zuletzt mit Hilfe der Giftspritze ein kleines Wunder gelungen: Die Zahl der dort untergebrachten "Kampfhunde" konnte innerhalb eines Jahres deutlich gesenkt werden! (13)

Auch Wolfgang Poggendorf äußert schon seit einiger Zeit ziemlich klare Vorstellungen, was das Ergebnis des "Wesenstests" sein soll. Er hat sein persönliches Urteil schon vorweg jedem Journalisten, der es hören und abdrucken wollte, verkündet, ohne wenigstens den Beginn der Versuchsreihe, geschweige denn deren Ergebnisse, abzuwarten. Waren vor einem Jahr bereits mehr als die Hälfte der in der Süderstraße lebenden "Kampfhunde" seiner Ansicht nach "nicht resozialisierbar" (2), also letztlich Todeskandidaten, so fiel der Anteil der vielleicht noch Rettbaren bald auf ein Drittel (3), und mittlerweile gibt der Chef nur noch einem Zehntel seiner auf 90 bezifferten "Kampfhunde" eine Chance (4). Zugleich beklagt er, dass die "unvermittelbaren" Hunde anderen den Platz wegnehmen. Das Tierheim stehe vor dem "Kollaps", falls es nicht ganz schnell gelingt, 50 Hunde zu vermitteln - oder anderweitig loszuwerden. (5)

Schon am 29.9.1999 hatte die Hamburger Morgenpost über ein Gespräch mit Poggendorf berichtet: "Da Pitbulls unberechenbar und Resozialisierungsmaßnahmen nur selten erfolgreich seien, hält er in vielen Fällen eine Einschläferung für 'die beste Lösung'." Damals hatte er gerade innerhalb von kurzer Zeit zehn Hunde töten lassen, nachdem es im Tierheim zwei schwere Beißvorfälle gegeben hatte. Insider berichteten, dass bei dieser Gelegenheit außer den beiden beteiligten Hunden auch mehrere Tiere getötet wurden, die schon länger als "verhaltensgestört" galten, beispielsweise weil sie aufgrund der Zwingerhaltung Erscheinungen von Hospitalismus zeigten. Ende Dezember befürwortete Poggendorf gegenüber dem Hamburger Abendblatt (27.12.1999), "im Tierheim lebende Pitbulls, die nicht besserungsfähig sind, grundsätzlich einzuschläfern" . Bei dieser Gelegenheit gab er an, dass im laufenden Jahr 1999 in der Süderstraße 24 "Kampfhunde" getötet worden seien - doppelt so viele wie im Vorjahr 1998, als 12 Hunde die Todesspritze verpasst bekommen hätten.

Ob diese Zahlen wahrheitsgemäß sind oder ob sie nicht in Wirklichkeit sogar höher lagen, ist unklar. Denn die HTV-Vereinszeitschrift ich & du berichtete in der Ausgabe 1/2000 über ein Gespräch des Chefs mit dem Hamburger CDU-Abgeordneten Fuchs: "Herr Poggendorf wies darauf hin, dass es nicht Aufgabe des HTV sein kann, Hunde möglicherweise 10 Jahre lang bzw. für den Rest ihres Lebens im Zwinger 'einzukerkern'. Wenn diese Hunde nicht resozialisierungsfähig sind, müssten sie letzten Endes eingeschläfert werden. Im letzten Jahr mussten im Tierheim rund 40 Pitbulls eingeschläfert werden, wobei sehr gewissenhaft und im Einvernehmen mit dem Amtstierarzt vorgegangen wird." - Vielleicht war aber auch die Angabe in der "ich & du" falsch, denn in der Hamburger Morgenpost vom 6.6.2000 hieß es, wieder unter Berufung auf den Geschäftsführer: "Im HTV-Tierheim seien seit 1998 mindestens 45 Hunde getötet worden." - Wobei das Wort "mindestens" anzudeuten scheint, dass es ganz genau vielleicht niemand weiß.
 
Am 9.5.2000 meldete dpa auf Grundlage eines Gesprächs mit Poggendorf: "Derzeit sollen Charaktertests die Aggressivität der Tiere prüfen. Von den 90 Pits können nach ersten Schätzungen nicht mehr als sieben bis acht Hunde vermittelt werden. Die meisten Tiere müssen eingeschläfert werden." - Nicht ganz so weitgehend oder jedenfalls nicht ganz so explizit äußerte sich der Tierheim-Chef später auch gegenüber dem Hamburger Abendblatt (3.6.2000): "Die Quote der einzuschläfernden Hunde" (aufgrund des "Wesenstests") "wird wohl sehr hoch sein."

Immer vorausgesetzt, die Amtstierärzte und die diesen übergeordnete Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) spielen mit. Denn das Tierschutzgesetz verbietet nun einmal das Töten von Tieren "ohne vernünftigen Grund". Und das Freiräumen dringend benötigter Zwingerkapazitäten im Tierheim wird von den Amtstierärzten bisher nicht als "vernünftiger Grund" im Sinne des Gesetzes anerkannt. Sie fordern individuelle Kriterien, die sich nicht auf die unbestreitbare grundsätzliche Platznot des Tierheims, sondern auf nachgewiesene Verhaltensweisen des einzelnen Hundes beziehen. Aus diesem Grund wurden in der Vergangenheit mehrere Tötungsanträge, die vom Tierheim gestellt worden waren, von den Amtstierärzten abgelehnt oder erst nach längerem Tauziehen bewilligt.

Der "Wesenstest" soll nun diese Lücke schließen. Der angeblich über jeden Zweifel erhabene wissenschaftliche Charakter dieser Methode wird von Wolfgang Poggendorf ständig hervorgehoben. Stolz verkündet er: "Der Test wird einen Maßstab für ganz Deutschland bieten." (10) Er verweist darauf, dass das Testverfahren zusammen mit der Kieler Wissenschaftlerin Prof. Dr. Dorit Feddersen-Petersen entwickelt wurde, deren Spezialgebiet die Untersuchung des Hunde-Verhaltens ist. Auch erwähnt der Tierheim-Chef gern überall, dass er Frau Feddersen-Petersen "als Beraterin gewonnen" habe. Das ist richtig, jedoch scheint ihr Auftrag ursprünglich gelautet zu haben, an Resozialisierungsbemühungen für problematische Tierheim-Hunde maßgeblich mitzuwirken, nicht aber Massentötungen ihren wissenschaftlichen Segen zu geben. Auch die Entwicklung des "Wesenstests" wurde von ihr offenbar nicht in der Absicht unterstützt, endlich die gewünschten hieb- und stichfesten Argumente für die schon länger beabsichtigte Tötung der meisten im Tierheim Süderstraße untergebrachten "Kampfhunde" zu liefern. Danach befragt erklärt Frau Feddersen-Petersen sogar ausdrücklich: "Wir machen den Test gerade, damit sie nicht sterben müssen." (11) Angesichts des bereits offen und öffentlich praktizierten Missbrauchs ihrer Arbeit und ihres guten Namens als Tötungs-Alibi klingt dieser Satz leider nur noch naiv oder bestenfalls hilflos.

Die Aufgabe eines Tierheims besteht grundsätzlich nicht in der lebenslänglichen Aufbewahrung von Tieren, sondern in ihrer Vermittlung. Ein Tierheim-Chef, der ständig mit dem wissenschaftlich unsinnigen und politisch hochgefährlichen Begriff "Kampfhunde" um sich wirft, gleicht insofern einem Autoverkäufer, der von seiner Ware nur als "stinkende Blechkisten" und "Killermaschinen" spricht. Mit anderen Worten, so etwas kommt im normalen Leben eigentlich nicht vor. Wolfgang Poggendorf aber springt in seiner Öffentlichkeitsarbeit zwischen den Begriffen "Kampfhunde" und "Pitbulls" unbekümmert hin und her. Für ihn sind die Worte erforderlichenfalls synonym, beliebig austauschbar. So kann er mal behaupten, das Tierheim nehme im Jahr 400 "Kampfhunde" auf, während er ein anderes Mal von 400 "Pitbulls" spricht (6). Letzteres ist zweifelsfrei absoluter Blödsinn. Ersteres ist vermutlich auch nicht wahr, aber dazu gleich noch mehr.

Die Gleichsetzung von "Kampfhunden" verschiedener Rassen mit Pitbulls ist "höhere Politik", so wie der Tierheim-Chef sie versteht. Macchiavelli for Beginners. Des Rätsels Lösung: Poggendorf ist gegenüber dem Dachverband der Hundehalter und -züchter, VDH, im Wort, sich bei seinen Verbots- und Kastrationsforderungen auf die Pitbulls zu beschränken und sämtliche anderen Rassen - Bullterrier, die diversen Stafordshires usw. - "nicht anzurühren". (Der Grund: Bis auf die Pitbulls sind alle anderen "Kampfhund-Rassen" im VDH vertreten.)

An diese Zusage hält der Tierheim-Chef sich in öffentlichen Äußerungen zumeist, doch lässt er sich gelegentlich auch gegen "die Kampfhunde" gerichtete Stammtischparolen  entschlüpfen. Vor allem aber behält er sich vor, im Tierheim Süderstraße alle "Kampfhunde" nach persönlichem Gutdünken zu Pitbulls umzudefinieren. Hat ein Hund gebissen oder muss über unangenehme Dinge wie die Massentötungen berichtet werden, spricht Poggendorf statt von "Kampfhunden" lieber von "Pitbulls". Logisch, denn die Akzeptanz, etwas gegen "die Pitbulls" zu tun, ist in der Gesellschaft und in der Bevölkerung am stärksten verbreitet. In Wirklichkeit wirft Poggendorf aber doch immer wieder die unterschiedlichen Rassen einfach zusammen und wertet sie pauschal ab.

Poggendorf behauptet, das Tierheim würde im Jahr 400 "Kampfhunde" aufnehmen, worunter er mit Sicherheit Pitbullterrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier subsummiert; dass dabei auch die Bullterrier einbezogen sind, ist wahrscheinlich, aber variabel. Die Zahl 400 dient recht erfolgreich der öffentlichen Dramatisierung der Platzprobleme im Tierheim. Aber ist sie auch realistisch, oder handelt es sich um ein Phantasieprodukt? Jedenfalls fällt auf, dass die vom Tierheim-Chef genannten Zahlen zusammen betrachtet absolut nicht zueinander passen, sondern klar darauf hindeuten, dass statt einem Taschenrechner nur Taschenspielertricks zum Einsatz kommen.

Immer Poggendorfs eigene Zahlen zugrunde gelegt, sind derzeit im Tierheim des HTV 90 "Kampfhunde" untergebracht. Im Januar 1999 hatte er die Zahl der "Kampfhunde" in der Süderstraße aber auch schon mit 39 angegeben. (7) Der Zuwachs betrüge demnach in 17 Monaten nur 51 Tiere. Aber 400 neu aufgenommene Tiere im Jahr - wie Poggendorf ja unbeirrt behauptet - wären rund 33 im Monat, also 561 in 17 Monaten. Sag mir, wo die Hunde sind, wo sind sie geblieben...? Wieviele "Kampfhunde" wurden in diesem Zeitraum vermittelt und konnten auf diese Weise das Heim verlassen? Poggendorf gibt den Anteil der vermittelbaren "Kampfhunde" mit rasant sinkender Tendenz von 50 bis 10 Prozent an. Nehmen wir zu seinen Gunsten den ersten Wert an, so könnten von 561 Neuaufnahmen bestenfalls 281 vermittelt worden sein. Es blieben immer noch 280 übrig. Vielleicht wurden etwa 60 von ihnen in den letzten 17 Monaten getötet, dann wären wir bei 220. Hiervon muss der behauptete reale Zuwachs von 51 Tieren abgezogen werden, Rest 169. Verbleib unbekannt?! Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand: Poggendorf beziffert vermutlich einerseits die Zahl der neu aufgenommenen "Kampfhunde" zu hoch und untertreibt auf der anderen Seite deren Vermittelbarkeit (und die wirklichen Vermittlungsergebnisse) ins Bodenlose. Außerdem ist leider nicht völlig auszuschließen, dass einige "unerwünschte" Hunde auch klammheimlich auf illegale Weise aus der Buchführung eliminiert werden. (19)

Bleiben wir weiter bei den Zahlenspielen des Tierheim-Chefs. Um die Probleme der Süderstraße so dramatisch wie möglich auszumalen, übertreibt er offenbar auch die Zahl der Beißvorfälle im Tierheim, die er natürlich fast ausschließlich den "Kampfhunden" bzw. "Pitbulls" zuschreibt, und verschlechtert damit gleichzeitig das Image und die Vermittlungschancen dieser Tiere. So berichtete das Hamburger Abendblatt am 10.5.2000 auf Grund der von Poggendorf erteilten Informationen: "1999 fielen Kampfhunde 25-mal die Pfleger an." - Das reichte aber bei weitem noch nicht, so dass die BILD am 16.5.2000 Poggendorf unwidersprochen mit den Worten zitieren konnte: "Im Tierheim seien bereits 50 Mal Tierpfleger von Kampfhunden angefallen worden." Dass der BILD-Journalist Poggendorfs Erzählungen richtig zugehört hatte (beim Besuch der BAGS-Senatorin Roth im Tierheim) bestätigt die fast gleich lautende Wiedergabe in der Hamburger Morgenpost vom selben Tag: "40 bis 50 Verletzungen von Pflegerinnen gehen im Jahr auf das Konto dieser Hunde." (18)

Eine Gegenrechnung: In ganz Hamburg wurden im Jahre 1999 weniger als 300 Fälle aktenkundig, in denen Menschen von Hunden aller Art attackiert wurden. Diese Zahl umfasst nicht bloß Bisse, sondern auch "aggressives Anspringen", leichtes Zuschnappen usw. Legt man die statistischen Untersuchungen des Deutschen Städtetages zugrunde, entfallen auf die sogenannten "Kampfhunde" (d.h. die 14 in Bayern und Brandenburg auf die Schwarze Liste gesetzten Rassen) nicht ganz 10 Prozent aller Zwischenfälle. Dies wären in Hamburg knapp 30 Fälle im Laufe des letzten Jahres. Das Tierheim Süderstraße hätte also - wenn die von Poggendorf an Journalisten weitergegebenen Zahlen stimmen würden - mehr  "Kampfhund"-Attacken zu verzeichnen als die gesamte Stadt Hamburg! Würde dies tatsächlich stimmen, wäre daraus lediglich zu schlußfolgern, dass die zum Teil wochen- oder gar monatelange Zwingerhaltung sowie unzureichende Bewegung und Beschäftigung von Hunden diese überdurchschnittlich aggressiv und unberechenbar macht. Das ist nicht wirklich überraschend und liefert keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine angeborene oder anerzogene "gesteigerte Aggressivität" bestimmter Hunderassen unter normalen Haltungsbedingungen. Auf jeden Fall ist Poggendorf vorzuwerfen, dass er aus einem speziellen Dilemma seines Tierheims ein gesellschaftspolitisches Problem zu machen versucht.

Schon das Wort "Resozialisierung" vermittelt im Grunde ein falsches Bild. Denn die meisten "Kampfhunde" kommen ja gar nicht ins Tierheim, weil sie selbst "verhaltensauffällig" geworden sind, sondern aufgrund des Verhaltens ihrer Besitzer. Poggendorf selbst gibt an, von den derzeit in der Süderstraße untergebrachten 90 "Kampfhunden" seien 54 ausgesetzt worden. Die übrigen 36 seien Sicherstellungen durch die Polizei, beispielsweise wegen Haftantritt des Besitzers, unter Umständen sogar wegen Tierquälerei. Die ungewöhnlich hohe Zahl der Aussetzungen ist einfach zu erklären: Der HTV weist schon seit Dezember 1998 alle ab, die ihren "Kampfhund" aus unterschiedlichen Gründen im Tierheim abgeben möchten. (9)

Nun könnte es ja rein theoretisch sein, dass unter den polizeilichen Sicherstellungen etliche sind, die durch Bissigkeit des Hundes verursacht wurden. Auch wäre es möglich, dass viele der Aussetzungen dadurch begründet sind, dass die Besitzer mit ihren aggressiven Tieren nicht mehr fertig geworden sind. Zahlen und Fakten, die eine solche Deutung erlauben würden, wurden bisher aber vom Tierheim-Chef nicht präsentiert - weder gegenüber der Presse, noch in der Vereinszeitschrift, noch im Rechenschaftsbericht an die HTV-Mitgliederversammlung. Daher muss beim Stand der Dinge festgestellt werden, dass die axiomatische Behauptung, mehr oder weniger alle ins Tierheim eingelieferten "Kampfhunde" hätten irgendeine schwere "Macke", seien von ihren früheren Besitzern scharf gemacht worden, und die allermeisten seien auch gar nicht "resozialisierbar", überhaupt nicht sachlich begründet ist. Die Frage ist vielmehr, wieweit individuelles Fehlverhalten nicht erst Ergebnis der zwangsläufig nicht artgerechten wochen- und monatelangen Unterbringung im Tierheim-Zwinger ist.

Wenn ein Tierheim-Chef innerhalb weniger Monate seine persönlichen "Schätzungen" über den Anteil der "resozialisierbaren" Tiere an den ihm anvertrauten "Kampfhunden" von 50 Prozent über ein Drittel bis schließlich auf weniger als ein Zehntel schrumpfen lässt, so weist dies auf seine eigene emotionale Instabilität hin. Bei passender Gelegenheit wird er aber auch treuherzig versichern, das alles habe er gar nicht so gesagt, die Journalisten hätten alles verdreht, das sei "eine Riesenschweinerei". Tatsache ist indes, dass von den vielfältigen Möglichkeiten einer Richtigstellung - sei es nun durch Gegendarstellungen nach dem Presserecht, durch eigene schriftliche Pressemitteilungen, oder auch durch Veröffentlichungen in der Vereinszeitschrift - kein Gebrauch gemacht wurde.

So blieb auch der Bericht der BILD vom 26.8.1999 unwidersprochen, in dem Wolfgang Poggendorf die Äußerung zugeschrieben wurde, er habe sich jahrelang "auch für Kampfhunde" eingesetzt, aber (nun wörtlich, mit Anführungszeichen): "Damit ist Schluss. Pitbulls sind nicht besserungsfähig." - Als Beispiel führte Poggendorf an: "Wir haben ein halbes Jahr mit Jimmy gearbeitet. Auch ein Pitbull. Er war lieb und nett. Doch am letzten Freitag griff er eine Frau an und biss sich in ihrem Unterschenkel fest. Diese Tiere sind unberechenbar, das ist das Gefährliche."

Im selben Sinn äußerte sich der Tierheim-Chef einen Monat später gegenüber der Hamburger Morgenpost (29.9.1999): "Diese Hunde sind kaum einschätzbar. Selbst wenn sie lieb und vertrauenswürdig erscheinen, kann man nie sicher sein, ob sie nicht bei der kleinsten Veränderung ganz anders reagieren." - Dies mag als Erfahrung im Tierheim Süderstraße sogar grundsätzlich richtig, wenn auch vermutlich stark übertrieben, sein. Nur trifft es auf die unter normalen Bedingungen in Hamburg lebenden "Kampfhunde" - Poggendorf selbst schätzt ihre Zahl auf 3.000 bis 5.000! - offensichtlich nicht zu. Denn sonst müsste es sehr viel mehr Beißzwischenfälle geben. Aus den veröffentlichten amtlichen Angaben lässt sich rückschließen, dass pro Jahr nur etwa 1 Prozent der privat gehaltenen "Kampfhunde" negativ auffallen - während Poggendorf ja mittlerweile 90 Prozent der ihm anvertrauten "Kampfhunde" für unheilbar wesensgestört erklärt.

Das Thema der angeblichen Unberechenbarkeit und Nicht-Resozialisierbarkeit griff der Tierheim-Chef auch gegenüber dem Hamburger Abendblatt auf, das am 27.12.1999 unter der Überschrift "Tierschutzverein: Pitbulls einschläfern! Gefährliche Kampfhunde sind selbst im Heim nicht zu bändigen" berichtete. Poggendorf hatte der Zeitung gesagt: "Gefährliche Kampfhunde sind eine Gefahr für die Bürger dieser Stadt. In ihrem Interesse, aber auch im Interesse der unkontrollierbaren Kampfhunde, die leiden, muss man diese Tiere einschläfern." Er könne die Verantwortung nicht übernehmen, Hunde, die nicht mehr resozialisierbar seien, an Bürger zu vermitteln. - Zur Untermauerung dieser Aussagen erzählte Poggendorf dem Abendblatt: : Ein Pitbull, der als sicher resozialisiert galt und vom Tierheim sogar in eine Familie vermittelt wurde, habe wenig später zu Hause ein Kind angegriffen und verletzt.

Vor diesem Hintergrund wirkte es äußerst befremdlich, dass der Herr der Süderstraße wenige Tage später in einer spektakulären Aktion durch die Presse bekanntgeben ließ, 25 garantiert "resozialisierte" Pitbullterrier abgeben zu wollen. Die Tiere seien zwei Monate lang auf gutes Benehmen trainiert worden. Von ihnen gehe keine Gefahr aus, "dafür übernehme ich die Verantwortung", auch wenn es natürlich "immer ein Rest-Risiko" gebe. (BILD, 5.1.2000)

Das Ergebnis dieser Aktion? Fakten wurden vom Tierheim-Chef nicht bekannt gegeben. Doch in Telefongesprächen mit Journalisten verbreitete er offenbar eine derart euphorische Stimmung, dass die BILD schon am folgenden Tag berichtete, Poggendorfs Angebot habe einen "Riesenansturm aufs Tierheim" ausgelöst, und sich zu der Überschrift hinreißen ließ: "Pitbulls bald raus aus dem Tierheim". Das wenigstens scheint ja nun Wirklichkeit zu werden. Warum allerdings in der Süderstraße im Januar von damals 60 untergebrachten "Kampfhunden" 25 nicht nur als tendenziell resozialisierbar, sondern sogar schon als resozialisiert (nach zwei Monaten Training!) galten, während im Mai von 90 "Kampfhunden" nicht einmal mehr 10 Tiere Gnade vor den Augen des Chefs finden, wird dessen Geheimnis bleiben. "Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode", pflegte Hamlet in solchen Fällen zu seufzen.

Wolfgang Poggendorfs fixe Idee war und ist es, die "Kampfhund-Problematik", das heißt die in der Gesellschaft umgehende aufgeheizte Anti-Stimmung gegen Hunde bestimmter Rassen, dadurch "entschärfen" zu können, dass er den Zorn ausschließlich auf "die Pitbulls" ablenken will. Dass das überhaupt nicht funktionieren kann, angesichts der statistisch nachgewiesenen Tatsache, dass auf Pitbulls nur etwa 5 Prozent der in Deutschland vorkommenden Beißattacken gegen Menschen entfallen, war klar. Poggendorf ist wahrscheinlich unter den Tierheim-Leitern in Deutschland der einzige, der sich vehement für die Ausrottung der Pitbulls durch Kastrationszwang, Zucht-, Einfuhr- und sogar Einreiseverbot stark macht. Er fordert, Pitbull-Besitzer schon bei kleinen Ordnungswidrigkeiten gleich mit 5000 Mark Strafe zu belegen, und stellt sie allesamt als Kriminelle und Perverse hin, die sich "aus der Verantwortung" für die von ihren Tieren angerichteten Schäden "schleichen" wollen und bei denen "sexueller Missbrauch" ihrer Tiere "an der Tagesordnung" sei. ( 14 und 17) Und während er die "Kampfhund-Halter" so aggressiv und hemmungslos stigmatisiert wie kaum ein anderer, klagt Poggendorf gleichzeitig, dass ihm ja leider kaum noch jemand seine "Kampfhunde" abnehmen will. Was den Maulkorb- und Leinenzwang für Pitbulls angeht, so schwankt Poggendorf offenbar noch, ob er ihn bei der "ersten Auffälligkeit" eines Hundes fordern soll (Abendblatt, 6.5.2000) oder nicht lieber gleich von vornherein und "generell": "Pits sollten einen Maulkorb tragen. Das kann man dann mit einer Pistole vergleichen: Wenn man die vorne zulötet, passiert nichts mehr." (Poggendorf laut BILD, 25.4.2000)

Die einerseits immer noch wehleidig beklagte "Unvermittelbarkeit" dieser Tiere ist so für den HTV-Geschäftsführer schon längst zur self fullfilling prophecy worden. Natürlich kann kein Tierheimchef noch glaubwürdig Hunde vermitteln, die er selbst mit einer Waffe gleichsetzt und für die er selbst "generellen" Leinenzwang fordert. Im Widerstreit zwischen dem tierschützerischen Ziel, auch die Pitbulls soweit irgend möglich zu vermitteln, und dem genau entgegengesetzten Ziel, gesellschaftliche Akzeptanz für deren Tötung aufzubauen, hat anscheinend für Poggendorf letzteres die Priorität gewonnen.

Was sonst sollen die wiederholten Zurschaustellungen "wilder Pitbulls" für die Medien? So ließ Poggendorf, als die BILD am 26.8.1999 mit der Schlagzeile "Tierheim-Chef schläfert Kampfhunde ein!" auf der Titelseite erschien, extra eine Szene für den BILD-Fotographen stellen: Zwei Tierpflegerinnen hielten aus entgegengesetzten Richtungen mit Stricken einen Pitbull, der sich in dieser Lage selbstverständlich halb angstvoll, halb wütend aufbäumte. Bildunterschrift: "Kaum zu bändigen: Pitbull Jimmy fletscht gefährlich die Zähne, knurrt wütend. Auch er soll eingeschläfert werden."  - Viele Monate später, als der Hund vermutlich längst getötet war, musste er immer noch als Kronzeuge gegen seine Artgenossen herhalten: BILD brachte dieselbe Szene aus etwas anderem Blickwinkel am 10.5.2000 noch einmal mit dem Text: "Pitbull 'Jimmy' aus dem Tierheim ist auch von der geübten Pflegerin kaum zu bändigen."

Die Nachfolge von Jimmy als vorgeführtem bösen Pitbull hat inzwischen Django antreten müssen. Die Hamburger Morgenpost berichtete am 8.6.2000: "'Django' lebt nicht mehr lange: Bei der wichtigsten Prüfung seines Lebens hat er kläglich versagt. Der Kampfhund ging nicht nur auf einen anderen Rüden los, er griff auch noch einen völlig arglosen Kameramann an." - Die MoPo war von Poggendorf zu einem Fototermin beim "Charaktertest" eingeladen worden und kam voll auf ihre Kosten. Django, vom stark gehbehinderten Poggendorf höchstpersönlich an der Leine gehalten - warum überließ er dies nicht einem mit dem Tier vertrauten kräftigen Pfleger? - hatte es trotz Maulkorb irgendwie geschafft, plötzlich einen Kameramann "am Bein zu packen" - so jedenfalls laut MoPo. "Auch Obertierschützer Poggendorf gelang es nicht, den breitbrüstigen Hund zu beruhigen: Ebenso wie Tierpflegerin Nicole Kehde erlitt er bei der Demonstration eine blutende Schürfwunde, da 'Django' mit dem Maulkorb auf die Hände der Heim-Mitarbeiter losging." - Mit dem Kommentar: "Der wollte nicht mit dem Kameramann spielen, der wollte ihn killen", heizte Poggendorf die Stimmung zusätzlich an. Die MoPo hatte jedenfalls eine Serie wunderbarer Schnappschüsse. Wie und warum es aber überhaupt zu diesem Vorfall kommen konnte, bleibt rätselhaft - zumal Django laut MoPo "sich schon einmal an einem TV-Mitarbeiter 'vergangen' hatte". Leichtfertigkeit und Verantwortungslosigkeit ist noch der harmloseste Gedanke, der einem dabei kommen kann.

Es gibt vermutlich in Deutschland überhaupt keinen zweiten Menschen, der in der Öffentlichkeit so viel wirres, unsinniges und Angst schürendes Zeug über die Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit der Pitbulls von sich gegeben hat, wie der Chef des HTV-Tierheims, der von sich selbst sagt: "Ich bin der Anwalt der Tiere - und muss meine Klienten umbringen." (15) Den "Kampfhund-Stau" im Tierheim, der jetzt auch mit Hilfe der Todesspritze abgebaut werden soll, hat er zum Teil selbst mitproduziert. Und selbstverständlich wird es keineswegs nur die Pitbullterrier treffen.

Anmerkungen


1) Hamburger Abendblatt, 3.6.2000: "Nach Charaktertest: Kampfhunde sollen sterben". Dem Bericht zufolge waren zu diesem Zeitpunkt schon die ersten zwei Hunde "durchgefallen" und sollten - vorbehaltlich der Zustimmung des Amtstierarztes - in den nächsten Tagen getötet werden. Mit zwei weiteren "durchgefallenen" Hunden sollte der Test wiederholt werden. - Im HA vom 5. Juni wurde einer der Tests beschrieben: "Ein fremder Pfleger führt den Hund mehrmals über eine Wiese, auf der ihm ein anderer Hund entgegenkommt. Greift der zu testende Hund den anderen nicht an, hat er bestanden. Anderenfalls bekommt er eine zweite Chance. Reagiert er wieder aggressiv, wird er als nicht resozialisierbar eingestuft." - Aufgrund eines solchen Tests müssten wahrscheinlich allein in einer Stadt wie Hamburg einige Tausend privat gehaltene Rüden mit hohem Konkurrenzverhalten gegen andere Rüden sofort getötet werden! Entweder hat das HA - freilich wieder einmal unwidersprochen - den Ablauf des Tests ganz falsch verstanden und dargestellt, oder dieser Test ist in der Praxis des Tierheims Süderstraße wirklich zu einer makabren Persiflage und zum schieren Humbug entartet.

2) Hamburger Morgenpost, 22.1.2000. Laut Poggendorf:  "Ohnehin könne nur die Hälfte der Kampfhunde vermittelt werden. Der Rest sei im 'Wesen so gestört', daß Tierärzte und Amtsveterinäre bei einigen Hunden über die Einschläferung nachdenken."
Hamburger Abendblatt, 27.12.1999. Laut Poggendorf: Gut die Hälfte der im Tierheim untergebrachten 50 Pitbull-Terrier sei "nicht mehr resozialisierbar".

3) BILD, 25.4.2000. Poggendorf: "Ich nehme mal das Beispiel Pitbull. Bei den meisten klappt es nicht, sie wieder hinzukriegen. Es gelingt bei höchstens einem Drittel."

4) BILD, 16.5.2000. Poggendorf: "Wir haben 90 Kampfhunde, 80 davon sind nicht zu vermitteln. Sie nehmen uns den Platz für andere Hunde weg."

5) Hamburger Abendblatt, 16.5.2000. "Von den 270 im Tierheim untergebrachten Hunden müssen bis zu den Sommerferien mindestens 50 vermittelt werden. Anderenfalls besteht der Aufnahmestopp für Hunde im Tierheim weiter. Poggendorf: 'Wir wollen nicht gezwungen sein, einige dieser Hunde einschläfern zu müssen.'"

6) Poggendorf gegenüber dem Hamburger Abendblatt vom 20.4.2000: "Von den 2500 Hunden, die wir jährlich aufnehmen, sind 400 Pitbulls." - Ebenso dpa vom 9.5.2000 auf Grundlage eines Hintergrundgesprächs mit Poggendorf: "400 Pitbulls werden jährlich im Tierheim Hamburg aufgenommen."

7) Gegenüber der Hamburger Morgenpost, 22.1.1999. Zur weiteren Entwicklung: Im September 1999 nannte Poggendorf die Zahl 50 - das seien doppelt soviel wie ein Jahr zuvor. (Hamburger Morgenpost, 29.9.1999). Im Januar 2000 gab er die Zahl der "Kamphunde" mit 60 an (WELT, 5.1.2000) und ebenso einen Monat später, im Februar (WELT, 14.2.2000). Anfang Mai 2000 brachte er erstmals die Zahl 90 ins Spiel. (z.B. Hamburger Abendblatt, 6.5.2000)

8) Hamburger Abendblatt, 10.5.2000.

9) Hamburger Morgenpost, 22.1.1999.

10) Hamburger Abendblatt, 5.6.2000

11) Hamburger Morgenpost, 5.6.2000.

12) Dpa, 5.6.2000, 14.59 Uhr.

13) Die Berliner Morgenpost gab am 20.4.2000 die Angabe von Frau Ruff wieder, im Lankwitzer Tierheim gebe es zur Zeit 50 "Kampfhunde"; vor einem Jahr seien es 80 gewesen. Am 6.6.2000 sprach die BM unter Berufung auf Frau Ruff sogar nur noch von 30 bis 40 "Kampfhunden" in Lankwitz.

14) BILD, 6.5.2000 und 17.4.2000. Dort wurde Poggendorf unwidersprochen mit folgenden Sätzen zitiert: "Die Hamburger Hundeverordnung ist Augenwischerei, die Amtstierärzte sind doch jetzt schon völlig überfordert. Ich fordere Maulkorb- und Leinenzwang für alle Pitbulls, außerdem die Zwangskastration und eine Zwangs-Haftpflichtversicherung. Verstößt der Pitbull-Halter gegen die Gesetze, muss er gleich zu 5000 Mark Strafe verdonnert werden."

15) Hamburger Morgenpost, 6.6.2000.

16) "1999 seien etwa 100 Hunde getötet worden. In diesem Jahr bislang annähernd die Hälfte. Einen neuen Charaktertest, der Auskunft über das Aggressionspotential des einzelnen Vierbeiners gebe, wende das Berliner Tierheim im Gegensatz zu den Hamburger Kollegen jedoch nicht an. Wenn der Hund seinen Pfleger anfalle, selbst bei der Fressnapfgabe zuschnappe und sich nicht anleinen lasse, könne er nicht vermittelt werden. 'Wir können uns eine Schlagzeile einfach nicht leisten, argumentiert die Sprecherin.'" (Berliner Morgenpost, 6.6.2000)

17) Gegenüber der Nachrichtenagentur ddp erging sich Poggendorf am 8. Oktober 2000 (anlässlich des Tags der Offenen Tür im Tierheim) in folgender Klischee-beladenen Tirade gegen die Besitzer sogenannter Kampfhunde: "Diese Hunde hätten keine Berechtigung in der Gesellschaft. Dazu komme, dass viele Halter diese Macht noch demonstrativ zur Schau stellten. Sie verhinderten nicht, dass ihre Hunde Passanten belästigten oder gefährdeten. Die Haltung der Tiere sei größtenteils sehr schlecht. Tierquälerei bis hin zum sexuellen Missbrauch sei an der Tagesordnung." (Hervorhebungen vom Autor)

18) Schon damals versicherten Tierheim-Insider hinter vorgehaltener Hand, dass die von Pogendorf öffentlich genannten Zahlen über 40 bis 50 Beißvorfälle mit "Kampfhunden" im Tierheim viel zu hoch seien. Das bestätigte der HTV-Vorstand am 12. Februar 2001 in einem Brief an den Autor. Dort wurden lediglich fünf schwere Beißvorfälle einzeln angesprochen, von denen aber nur zwei ausdrücklich Pitbulls zugeordnet wurden. Zumindest bei einem der in dem Vorstandsschreiben erwähnten Vorfälle - ein Mann, dem ein Finger abgebissen wurde - war das beteiligte Tier kein "Kampfhund" im Sinne der Hamburger Hundeverordnung, sondern ein Rottweiler. (Schilderung des Vorfalls in BILD vom 17.4.2000). Der Gebissene war kein Tierpfleger, sondern ein Vermittlungs-Interessent, der den Hund probeweise im Tierheim-Gelände ausführte und der den Hund - nach damaliger Schilderung Poggendorfs - durch unsachgemäß harte Behandlung gereizt hatte. Eine bei den im Vorstandsbrief erwähnten schweren Vorfällen verletzte Frau war gleichfalls keine Tierpflegerin, sondern die Gattin oder Freundin des Hundebesitzers, die - nach Poggendorfs damaliger Schilderung - trotz Abraten der Pflegerin auf eigene Verantwortung in den Zwinger gegangen war, weil sie den Hund, einen Pitbull, im Auftrag des inhaftierten Besitzers aus dem Tierheim abholen wollte. Damit verringert sich die Zahl der schweren Zwischenfälle, von denen Tierheim-Angestellte betroffen waren, auf höchstens drei; nur an einem war ein Pitbull beteiligt.
Darüber hinaus gab der Vorstand in seinem Schreiben an den Autor die Zahl sämtlicher "leichten bis mittelschweren Körperverletzungen durch Hundebisse" (unabhängig von der Rasse) im Tierheim für den Zeitraum 1999 und erste Jahreshälfte 2000, also für anderthalb Jahre, mit ca. 40 an. Das ergibt umgerechnet auf ein Jahr ungefähr 27. Wieweit die beteiligten Hunde den in Hamburg so genannten Kategorien I oder II angehörten, also "gefährliche Hunde" ("Kampfhunde") im Sinne des Gesetzes waren, teilte der HTV-Vorstand nicht mit. Anscheinend gibt es über die "leichten bis mittelschweren" Vorfälle im Tierheim keine nach Rassen spezifizierte Statistik.

19) Die meisten Tiere müssen eingeschläfert werden. - 400 Pitbulls werden jährlich im Tierheim Hamburg aufgenommen."

Tierheim-Insider wussten schon damals, dass die von Poggendorf genannte Zahl 400 bei weitem zu hoch war. Ich habe in mehreren Veröffentlichungen unwidersprochen diese Zahl ins Reich der Fabeln verwiesen. Im Rechenschaftsbericht des HTV-Vorstands zur Mitgliederversammlung im November 2000 wurde dann die Zahl der 1999 aufgenommenen "Kampfhunde" plötzlich nur noch, scheinbar sehr exakt, mit 196 angegeben. Die Differenz zu der früher von Poggendorf allein für die Pitbulls genannten Zahl beträgt also 204.

Knut Mellenthin

Juni 2000. Einige Fußnoten wurden nachträglich ergänzt.