KNUT MELLENTHIN

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Der westliche Konfrontationskurs gegen Iran stößt zunehmend auf Widerspruch

Im Streit um das iranische Atomprogramm stoßen die USA und ihre Verbündeten bei der Mehrheit der UNO-Mitglieder auf Widerspruch. In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung hat die Gruppe der Blockfreien (NAM), der 118 Staaten angehören, ihre Unterstützung für die iranische Position bekräftigt. Den Vereinten Nationen gehören zur Zeit 192 Staaten an. Die Stellungnahme der NAM macht deutlich, dass die westlichen Regierungen lügen, wenn sie sich in ihrem Konflikt mit dem Iran auf „die internationale Gemeinschaft“ berufen und behaupten, Iran sei „völlig isoliert“.

In ihrer Erklärung betonen die Blockfreien das uneingeschränkte Recht aller Staaten ohne Ausnahme und Diskriminierung, die Atomenergie für friedliche Zwecke zu nutzen. Mit der Aussage, dass „Diplomatie und Dialog der einzige Weg zu einer langfristigen Lösung“ des Konflikts seien, erteilt die NAM der westlichen Absicht, Iran durch immer härtere Sanktionen in die Knie zu zwingen, eine deutliche Absage. Die Blockfreien warnen darüber hinaus , „dass jeder Angriff oder Angriffsdrohung gegen friedliche Atomanlagen eine ernste Gefahr für Menschen und Umwelt bedeutet und eine schwere Verletzung internationalen Rechts darstellt“. Die Staatengruppe strebt ein international ausgehandeltes Verbot solcher Angriffe und Angriffsdrohungen an. Das richtet sich in erster Linie gegen die USA und Israel, die dem Iran immer wieder mit Militärschlägen drohen.

Eine Abfuhr holte sich die US-Regierung auch beim Besuch von Außenministerin Hillary Clinton in Brasilien. Präsident Luiz Inacio Lula da Silva sprach sich am Mittwoch entschieden gegen die Absicht von USA und EU aus, „Iran wegen seines Atomprogramms in die Ecke zu drängen“. Der „kluge Weg“ bestehe darin, die Gespräche mit Teheran fortzusetzen. Die US-Regierung unternimmt große Anstrengungen, Brasilien durch Druck und Drohungen auf ihre Seite zu bringen, weil das Land zur Zeit einen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat.

Auch NATO-Mitglied Türkei widersteht bisher den Aufforderungen der USA und ihrer Verbündeten, sich an der Frontbildung gegen seinen Nachbarstaat Iran zu beteiligen. Außenminister Ahmet Davutoglu rief am Mittwoch zu einer friedlichen, diplomatischen Lösung des Konflikts auf. Neue Sanktionen oder gar der Einsatz militärischer Mittel würden „katastrophale Folgen“ für die gesamte Region haben. Die Türkei ist derzeit ebenfalls im Sicherheitsrat vertreten.

Am wichtigsten ist für die USA und ihre Verbündeten, Russland und China „ins Boot zu holen“. Als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats könnte beide Staaten durch ihr Veto eine neue Sanktionsresolution – es wäre dann mittlerweile die vierte – verhindern. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber um sehr viel mehr als nur einen taktischen Dissens über den Nutzen wirtschaftlicher Strafmaßnahmen. Sowohl Russland als auch China interpretieren den Konfliktgegenstand ganz anders als die Amerikaner und Europäer. Politiker beider Staaten haben immer wieder eindeutig erklärt, dass sie die westliche Grundannahme, Iran arbeite an der geheimen Entwicklung von Atomwaffen, nicht teilen. Ebenso wenig machen sich Russland und China die westliche Propaganda zu eigen, dass Iran „eine Bedrohung für den Weltfrieden“ sei. Je mehr USA und EU sich anstrengen, Russland und China für ihre verlogene Propaganda-Inszenierung „Iran gegen den Rest der Welt“ zu vereinnahmen, um so stärker wird für beide Staaten die Notwendigkeit, auf Distanz zu gehen und ihre eigene Position zu betonen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 5. März 2010