KNUT MELLENTHIN

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Bin Ladens "Imperium" und die USA

Unter dem Stichwort "Bin Ladens Wirtschaftsimperium" war im Focus und anderen Medien zu lesen, er kontrolliere eine sudanesische Gesellschaft, die 80 bis 90 Prozent der Weltproduktion an Gummi Arabicum herstelle. Es handelt sich bei diesem Unternehmen um die Gum Arabic Company, GAC, die zumindest bis vor kurzem das Monopol auf den Export dieses aus einer Akazienart gewonnenen Rohstoffs aus dem Sudan hatte. Die GAC, ein Konsortium, gehört zu einem Drittel dem sudanesischen Staat. Alleiniger Agent der GAC in Nordamerika ist die Firma P.L. Thomas & Co. in Morristown, New Jersey. Deren Präsident, Paul Flowerman, verwahrt sich auf seiner Website entschieden gegen alle Gerüchte über eine Verbindung mit bin Laden. Auf eine Anfrage hin teilte er mit, dass das amerikanische Außenministerium seiner Firma schon 1997 und 1998 bescheinigt habe, dass es keine Anhaltspunkte für eine Verbindung Bin Ladens mit der GAC gibt. Außerdem, so Flowerman, habe die GAC nach den Anschlägen vom 11. September dem US-Außenministerium durch sein Unternehmen eine Liste ihrer 100 wichtigsten Anteilseigner und zusätzliche Informationen übermittelt.

Ein wesentlicher Aspekt blieb in den Medien unbeachtet: Die US-Regierung verhängte 1997, vor allem wegen des Vorwurf der Unterstützung des internationalen Terrorismus, aber auch wegen des Vorgehens gegen die nicht-moslemische Bevölkerung im Süden des Landes, ein Wirtschaftsembargo gegen den Sudan. Das betraf als wichtigsten Einzelposten Gummi Arabicum. Es wird verwendet bei der Herstellung von Limonaden und Colas, bei der Produktion von Bonbons und anderen Süßigkeiten, in der pharmazeutischen Industrie, aber auch in Druckereien. Es sind noch keine natürlichen oder künstlichen Ersatzstoffe gefunden worden, die von gleicher Qualität sind und so wenig Kosten verursachen. Rund 70 Prozent der Weltproduktion - früher sogar noch mehr - kommen aus dem Sudan. Die Ware aus konkurrierenden Anbieterländern in Westafrika - u.a. Nigeria und Tschad - ist von niedrigerer Qualität.

Sofort begann daher ein politischer Sturmlauf der amerikanischen Importeure von Gummi Arabicum, aber auch der auf diesen Rohstoff angewiesenen Wirtschaftszweige gegen das Embargo. Auch die mächtigen Verbände der Zeitungsverlage und der Soft-Drink-Hersteller (u.a. Coca Cola und Pepsi Cola) forderten, Gummi Arabicum von den Sanktionen auszunehmen.

Ihrer Interessen nahm sich als Hauptlobbyist der Abgeordnete Bob Menendez aus dem Staate New Jersey an. Dort sind die meisten der Gummi Arabicum importierenden und weitervertreibenden Firmen ansässig. Menendez, der nebenbei Vizevorsitzender der demokratischen Fraktion im Kongress ist, gilt ansonsten nicht gerade als Gegner von Wirtschaftssanktionen: Er ist unter den demokratischen Abgeordneten der aktivste und lautstärkste Verteidiger der Boykott-Maßnahmen gegen Kuba im US-Parlament. Generell vertritt er, der selbst kubanischer Abstammung ist, als Lobbyist die wirtschaftlichen und politischen Forderungen rechter, schwerreicher exilkubanischer Kreise.

Der Druck der am sudanesischen Gummi Arabicum interessierten Unternehmen und Verbände bewirkte, dass die Regierung Clinton 1998 die Ausführung der bereits abgeschlossenen Kontrakte gestattete. Außerdem wurde grundsätzlich die Möglichkeit zugelassen, eine Genehmigung auch für neue Lieferverträge zu beantragen. Im Dezember 2000 wurde schließlich von Kongress und Senat ein unscheinbares Gesetz verabschiedet, durch das Gummi Arabicum gänzlich vom Embargo gegen den Sudan ausgenommen wurde. Um diesen Vorgang möglichst unauffällig zu gestalten, wurde das aus kaum mehr als einem Satz bestehende Gesetz so formuliert, dass es ohne Kenntnis der Hintergründe absolut nicht zu verstehen ist; die Worte "Sudan" und "Gummi Arabicum" kommen darin nicht einmal vor.

Man muss also feststellen, dass die USA ihr eigenes Embargo gegen den Sudan von Anfang an ganz offiziell unterlaufen haben - und dies sogar zu einer Zeit, als Präsident Clinton mit der "Schurkenstaat"-Begründung eine pharmazeutische Fabrik im Sudan in Schutt und Asche legen ließ. Anlass der Luftangriffe waren damals, im August 1998, die Bombenanschlägen gegen die US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Dar-es-Salam (Tansania), für die Washington dem Sudan eine Mitverantwortung zuwies. Die US-Regierung behauptete, die zerbombte Fabrik habe der Chemiewaffen-Produktion gedient, hat aber für diese Behauptung niemals Beweise oder auch nur Inhaltspunkte vorgelegt.

Nach den Anschlägen vom 11. September dieses Jahres ist der Sudan für die US-Regierung, zumindest vorübergehend, zu einem Bestandteil der "Anti-Terror-Allianz" geworden. Eine verstärkte Zusammenarbeit hatte sich allerdings schon vorher angedeutet. Am 28. September hob der UNO-Sicherheitsrat die Sanktionen auf, die er 1996 gegen den Sudan verhängt hatte. Die USA ermöglichten diesen Beschluss durch Stimmenthaltung; in den vergangenen Jahren hatten sie ihr Veto dagegen eingelegt. Anlass der UNO-Sanktionen von 1996 war gewesen, dass der Sudan drei Islamisten nicht ausliefern wollte, denen die Planung eines Attentats auf den ägyptischen Präsidenten Mubarak vorgeworfen wurde. In der Begründung für den Aufhebungsbeschluss des Sicherheitsrats wird jetzt darauf verwiesen, dass der Sudan 1997 und 1999 mehrere internationale Abkommen zur Terrorismus-Bekämpfung unterzeichnet hat. Außerdem hat sich Ägypten, das 1996 die Sanktionen gegen den Sudan ausgelöst hatte, schon seit längerem für ihre Aufhebung ausgesprochen.

Nach wie vor steht der Sudan aber auf der Liste der Staaten, denen die US-Regierung vorwirft, sie würden durch Gewährung von Stützpunkten und anderen Hilfsmitteln  terroristische Gruppen unterstützen. Diese jährlich überprüfte und aktualisierte Liste nennt derzeit sieben Staaten: Außer dem Sudan gehören dazu Iran, Irak, Syrien, Libyen, Kuba und Nordkorea. Afghanistan, das man jetzt offenbar dazurechnen muss, stand bisher nicht auf der Liste. Offiziell wurde das damit begründet, dass eine Ausnahme Afghanistans in die Reihe  der Terror-unterstützenden Staaten eine Anerkennung des Taliban-Regimes bedeuten würde. Der Wahrheit dürfte man wohl näher kommen, wenn man sich erinnert, dass US-Institutionen wie die CIA gemeinsam mit Pakistan jahrelang die Taliban unterstützt haben.

Knut Mellenthin

Neues Deutschland, 12. November 2001