KNUT MELLENTHIN

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Einstimmig, aber zahnlos

Pakistans Parteien verabschieden eine überraschend schwache gemeinsame Erklärung zum Streit mit den USA.

Die US-Regierung setzt ihre Militäroperationen gegen Ziele in Pakistan fort. Durch Raketen eines unbemannten Flugkörpers wurden am Freitag drei Insassen eines Fahrzeugs in Südwasiristan, einer Verwaltungseinheit der sogenannten Stammesgebiete im Nordwesten des Landes, getötet. Der Auslandsgeheimdienst CIA, der für die Drohneneinsätze gegen Pakistan verantwortlich ist, gab wie üblich keine Erklärung zu Zwecken und Folgen des Angriffs ab.

Zuvor hatte sich am Donnerstag eine von Premierminister Yusuf Raza Gilani einberufene All-Parteien-Konferenz in einer neunstündigen Sitzung mit dem immer schwierigeren Verhältnis zwischen Pakistan und den USA beschäftigt. Amerikanische Politiker und Militärs hatten in der vorigen Woche ihre seit Jahren vorgetragenen Vorwürfe verschärft, dass Pakistan in den Stammesgebieten „sichere Schlupfwinkel“ für afghanische Aufständische dulde. Der Chef der US-Streitkräfte, Admiral Mike Mullen, dessen Dienstzeit am Freitag endete, beschuldigte den pakistanischen Geheimdienst ISI der direkten Mitwirkung bei mehreren Aktionen der Haqqani-Gruppe in Kabul und anderen Teilen Afghanistans. Der neue Verteidigungsminister der USA, Leon Panetta, der zuvor die CIA geleitet hatte, drohte bei einer Kongressanhörung unverhohlen mit einer Ausweitung der Militäroperationen auf pakistanischem Territorium.

Vor diesem Hintergrund fiel die am Donnerstag einstimmig verabschiedete gemeinsame Stellungnahme der All-Parteien-Konferenz überraschend vage und zahnlos aus. Die USA werden nicht einmal namentlich erwähnt. Zwar werden „die jüngsten Behauptungen und grundlosen Anschuldigungen“ gegen Pakistan als „schädlich für ein partnerschaftliches Verhalten“ zurückgewiesen, aber es fehlt eine deutliche Absage an die militärischen Drohungen. Dazu heißt es lediglich: „Die Verteidigung der Souveränität Pakistans und seiner territorialen Integrität ist eine heilige Verpflichtung, von der niemals Abstriche gemacht werden dürfen.“

Insgesamt ist die jetzige Erklärung sehr viel schwächer formuliert, als die Resolution, die am 14. Mai von beiden Häusern des pakistanischen Parlaments verabschiedet wurde, nachdem US-Spezialtruppen das angebliche Versteck Bin Ladens in Abbottabad überfallen hatten. Die Stellungnahme der All-Parteien-Konferenz enthält keine konkreten Forderungen, nicht einmal die nach Beendigung der Drohnenangriffe.

Was an der neuen Erklärung vielleicht inhaltlich interessant sein könnte, ist nur unverbindlich angedeutet. So kann der Satz, Pakistan müsse „einen Dialog initiieren“, um „Frieden mit unserem eigenen Volk in den Stammesgebieten auszuhandeln“, als Absage an die ständig wiederholte Forderung Washingtons interpretiert werden, die Bürgerkriegsoperationen des pakistanischen Militärs auf immer mehr Landesteile auszudehnen. Auch die Feststellung, es müsse eine Umorientierung der Politik auf „Frieden und Versöhnung“ geben und der Slogan „Give peace a chance“ müsse „künftig zum leitenden zentralen Grundsatz werden“, weist in diese Richtung. Die Forderung, dass „alle früheren einstimmigen Resolutionen des Parlaments“ umgesetzt werden müssten, enthält zudem das Geständnis, dass dies bisher nicht geschehen ist.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 1. Oktober 2011