KNUT MELLENTHIN

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Moratorium auf der Kippe

Wegen eines geplanten Satellitenstarts drohen die USA Nordkorea mit der Streichung versprochener Hilfslieferungen.

Der internationale Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm spitzt sich erneut zu. Anlass ist die Ankündigung der Demokratischen Volksrepublik (DVRK), zwischen 12. und 16. April ihren dritten Weltraum-Satelliten zu starten. Die Regierungen der USA, Japans und Südkoreas haben darauf mit heftigen Protesten und Drohgesten reagiert. Das Außenministerium in Washington bezeichnete die Absicht als „hochgradig provokativ“. Russland forderte die Nordkoreaner auf, „sich nicht selbst in Gegensatz zur internationalen Gemeinschaft zu bringen“ und „auf Handlungen zu verzichten, die die Spannungen in der Region verschärfen“. China äußerte „Besorgnis“ und appellierte an „alle Beteiligten“, „ruhig zu bleiben, Zurückhaltung zu üben und eine Eskalation der Spannungen zu vermeiden“, ohne jedoch Partei zu beziehen.

Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sehen in dem geplanten Satellitenstart einen Verstoß gegen mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, mit denen der DVRK die Entwicklung von Langstreckenraketen verboten wird. Sie beschuldigen die Regierung in Pjöngjang darüber hinaus, mit ihrer Ankündigung das von ihr am 29. Februar unterzeichnete Moratorium zu brechen. Nordkorea hatte sich darin bereit erklärt, als freiwillige vertrauensbildende Maßnahme für einen nicht definierten Zeitraum auf Tests mit Langstreckenraketen und Nuklearwaffen sowie auf die Anreicherung von Uran zu verzichten. Eine internationale Rechtsgrundlage, der DVRK die Produktion solcher Raketen zu untersagen, gibt es jedoch nicht.

Dass Pjöngjang den angekündigten Satellitenstart jetzt noch ausfallen lassen könnte, ist aus politischen und psychologischen Gründen unwahrscheinlich: Das Vorhaben ist ausdrücklich als Beitrag zur Würdigung des hundertsten Geburtstages von Staatsgründer Kim Il Sung, dem Großvater des derzeitigen Staats- und Parteiführers Kim Jong-un, deklariert. Es hat demzufolge einen hohen Prestigewert. Drohungen und Erpressungsversuche westlicher Staaten werden die Entschlossenheit der Nordkoreaner, an dem Unternehmen festzuhalten, vermutlich nur steigern.

Damit droht die Gefahr, dass sich das Szenario von 2009 wiederholt. Damals reagierte der UN-Sicherheitsrat auf den am 5. April von Pjöngjang gemeldeten Start eines Satelliten acht Tage später mit einer scharfen Verurteilung. Die DVRK nahm das zum Anlass, sich aus den scheinbar erfolgsversprechend angelaufenen Verhandlungen zurückzuziehen, die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auszuweisen und ihre zweite nukleare Testexplosion durchzuführen.

Nicht nur westliche, sondern auch russische Kommentatoren gehen übereinstimmend davon aus, dass der Satellitenstart von 2009 entweder ein Fehlschlag oder aber lediglich ein Vorwand für den Test einer Rakete war. Auch der erste nordkoreanische Satellit, der angeblich am 31. August 1998 in den Weltraum geschossen wurde, soll ein Misserfolg oder eine Fälschung gewesen sein.

Auf die am vorigen Freitag veröffentlichte Ankündigung eines neuen Satellitenstarts reagierte Washington mit der Drohung, dass dadurch die in Aussicht gestellte Lieferung von 240.000 Tonnen Lebensmittelhilfe an die DVRK hinfällig werden könnte. Im Gegensatz zu den meisten Pressemeldungen besteht zwischen dieser Hilfe und dem nordkoreanischen Moratorium vom 29. Februar kein offizieller Zusammenhang. Die Lieferungen sind auch noch nicht fest vereinbart.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 22.3.12