KNUT MELLENTHIN

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Präsident der Superlative

Trump redet gern – aber nicht über Zahlen und Fakten zur geplanten Aufrüstung

Donald Trump hat am Dienstagabend (Ortszeit) in seiner ersten Ansprache an den Kongress „eine der größten Steigerungen der nationalen Verteidigungsausgaben in der amerikanischen Geschichte“ angekündigt. Einzelheiten verriet er jedoch nicht. Einen Tag zuvor hatte das Weiße Haus an die Medien „durchsickern“ lassen, dass der Präsident für das am 1. Oktober beginnende Steuerjahr eine Aufstockung des Pentagon-Budgets um 54 Milliarden Dollar beantragen wolle.

Das entspricht auf den ersten Blick einer Steigerung um ungefähr 9,3 Prozent gegenüber dem laufenden Steuerjahr. Aber diese Rechnung ist irreführend: Auch ohne zu wissen, wie das zusätzliche Geld auf die verschiedenen Gruppen des „Verteidigungshaushalts“ aufgeteilt werden soll, kann man davon ausgehen, dass der größte Teil der beabsichtigten Mehrausgaben für Beschaffungsmaßnahmen, also für die materielle Aufrüstung, verwendet werden soll. Dieser Sektor, amtlich als „Procurement“ bezeichnet, macht gegenwärtig mit rund 110 Milliarden Dollar knapp ein Fünftel des gesamten Pentagon-Budgets aus. Die von Trump beabsichtigte Steigerung der eigentlichen Rüstungsausgaben gleich in seinem ersten Amtsjahr könnte daher 30 Prozent oder sogar noch mehr betragen.

Trump sprach schon während des Wahlkampfs regelmäßig davon, „to rebuild the military“. Man kann das Verb mit „wiederaufbauen“ oder „wiederherstellen“, aber auch mit „erneuern“ übersetzen. Zugleich pflegt er den derzeitigen Zustand der Streitkräfte als „depleted“ zu bezeichnen, was wohl am besten mit „ausgelaugt“ zu übersetzen ist. Das ist eine der für Trumps Rhetorik typischen Übertreibungen und entspricht seiner generellen Behauptung, sein Vorgänger Barack Obama habe ihm „einen Haufen Mist“ hinterlassen.

Im historischen Vergleich ist das Pentagon-Budget im laufenden Steuerjahr mit etwa 583 Milliarden Dollar nicht einmal besonders niedrig: Es liegt immer noch höher als in den Jahren 2003 bis 2007, obwohl die USA damals unter George W. Bush Krieg mit Bodentruppen im Irak und in Afghanistan führten. Erst 2008 überschritten die „Verteidigungsausgaben“ die Grenze von 600 Milliarden. In der Amtszeit von Obama stiegen sie bis auf 711 Milliarden im Jahre 2011 an. Seither sind sie konstant gesunken. Dazu hat wesentlich eine Ausgabenbeschränkung für den gesamten Staatshaushalt beigetragen, die 2011 vom Kongress beschlossen wurde und 2013 in Kraft trat. Trump kündigte im Wahlkampf an, dass er diese gesetzliche Maßnahme aufheben will. Dazu benötigt er die Zustimmung von Abgeordnetenhaus und Senat. Aber schon jetzt geben die USA für ihr Militär mehr aus als alle anderen bedeutenden Staaten der Welt zusammengerechnet.

Am 27. Januar beauftragte Trump seinen Verteidigungsminister James Mattis, ihm innerhalb der nächsten 30 Tage einen Überblick über den Bereitschaftszustand der Streitkräfte und unmittelbar erforderliche Beschaffungsbedürfnisse mit Blick sowohl auf das laufende Jahr als auch auf den Haushalt 2018 zu geben. Dieser Bericht wurde inzwischen erstattet, aber sein Inhalt ist noch nicht bekannt. Von einigen Medien wurde lediglich unbestätigt gemeldet, dass der Präsident beim Kongress für das Steuerjahr 2017 zusätzliche „Verteidigungsausgaben“ in Höhe von 30 Milliarden Dollar beantragen wolle.

Trump verbindet eine oberflächliche Geschwätzigkeit mit einer extremen Verschlossenheit, was das Bekanntgeben von Fakten und Zahlen angeht. Wer sich über die konkreten Vorstellungen des Präsidenten zur Aufrüstung der US-Streitkräfte informieren will, ist immer noch ausschließlich auf eine Wahlkampfrede „zur nationalen Sicherheit“ angewiesen, die der Milliardär am 7. September vorigen Jahres in Philadelphia nicht vor seinen normalen Anhängern, sondern im Rahmen eines traditionsreichen Elite-Clubs hielt.

Entsprechend sorgfältig war die Ansprache vorbereitet und formuliert worden. Das Material hatte, wie der Redner freimütig bekanntgab, die weit rechts angesiedelte Heritage Foundation geliefert. Derselbe „Think Tank“ also, der George W. Bush die Strategiepapiere für die Kriege in Afghanistan und im Irak geschrieben hatte. Eine Spezialität von Heritage sind öffentlich erteilte, in die Einzelheiten gehende Handlungsvorschläge zu bestimmten Themen an den jeweiligen Präsidenten.

Die wichtigsten Punkte der Rede von Trump in Philadelphia: Er wolle die Personalstärke der aktiven Landstreitkräfte, der Army, von 490.00 auf 540.000 erhöhen. Die Zahl der Bataillone – Einheiten mit einer Stärke zwischen 500 und 1.200 Mann – des Marine Corps solle von derzeit 23 auf 36 gebracht werden. Die Marines sind die wichtigste Truppe der USA für schnelle Militärinterventionen. Trump weiter: Die Marine solle durch Neubauten auf 350 Kriegsschiffe und U-Boote verstärkt werden. Gegenwärtig seien es „nur“ 276, gegenüber 592 zum Ende der Amtszeit von Präsident Ronald Reagan, 1989. Die Air Force wolle er von 1.113 Kampfflugzeugen auf mindestens 1.200 ausbauen. 

Der hanebüchene Vergleich bloßer Stückzahlen führte Trump schließlich zu der Behauptung, die US-Marine sei „die kleinste“ seit 1915 und die Air Force „die kleinste“ seit 1947, als diese als eigene Waffengattung konstituiert wurde. Über die Stückzahlen hinausgehende Angaben über seine Zielvorstellungen zur Aufrüstung und deren Kosten machte Trump in Philadelphia nicht. Er scheint sich dazu bisher auch sonst noch nicht geäußert zu haben. 

Mit etwas mehr Sorgfalt für Details sprach Trump damals nur über das Raketenabwehr-System, also das bevorzugte Instrument aller US-Regierungen seit Reagan zur Aushebelung der nuklearen Abschreckung. „Unter Obama-Clinton“ sei dieses System „heruntergestuft“ worden, „genau in dem Moment, wo die USA und ihre Verbündeten einer erhöhten Raketenbedrohung durch Staaten wie Iran und Nordkorea gegenüberstehen“. Als Gegenmaßnahme stellte Trump in Philadelphia die „Modernisierung“ der 22 Kreuzer in Aussicht, die als „Grundlage unserer Raketenabwehr in Europa, Asien und im Nahen Osten“ vorgesehen seien. Die Kosten dafür veranschlagte er auf 220 Millionen Dollar pro Stück. 

Knut Mellenthin

Junge Welt, 4. März 2017