KNUT MELLENTHIN

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Schönwetter in Kalifornien

Die Präsidenten der USA und Chinas demonstrieren Harmonie und Optimismus, sagen aber fast nichts zur Sache.

Die USA und China wollen „ein neues Modell des Verhältnisses zwischen den Großmächten“ schaffen. Mit diesem zwar anspruchsvollen, aber wenig substantiellen Versprechen krönten die Präsidenten beider Staaten, Barack Obama und Xi Jinping, am Wochenende ihr zweitägiges Gipfeltreffen. Nach einer ersten Gesprächsrunde am Freitag hatte Obama seinen Gast am Sonnabend auf ein 85 Hektar großes Luxusanwesen in Kalifornien eingeladen, um in maßvoll entkrampfter Bekleidung und in Anwesenheit der beiden Ehefrauen eine fast familiäre Atmosphäre für ein, wie es wörtlich hieß, „erstes Kennenlernen“, zu simulieren.

Formaler Anlass des Events war die Tatsache, dass Xi seit 14. März Präsident der Volksrepublik ist. Diese Position ist mit den nicht weniger einflussreichen des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei und des Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission der Partei verbunden, die Xi schon im November 2012 übernommen hatte. Fast ein Vierteljahr nach Xi's Wahl zum Staatsoberhaupt war es für ein Gipfeltreffen höchste Zeit. Inzwischen hatte der chinesische Politiker schon eine Reihe andere Länder besucht. Unter anderem war er nach der pakistanischen Parlamentswahl vom 11. Mai der erste ausländische Staats- oder Regierungschef, der dem neuen Premierminister Nawaz Sharif persönlich seine Aufwartung machte, statt nur den obligaten telefonischen Glückwunsch loszuwerden.

Mit umso größerem Erstaunen liest man in US-Medien, dass Obama ursprünglich vorgehabt habe, den Präsidenten Chinas erst im September „am Rande“ des internationalen Wirtschaftsgipfels im russischen St. Petersburg zu treffen, sich aber später entschieden habe, die Begegnung zeitlich vorzuziehen und ihren Symbolwert erheblich aufzuwerten.

Allerdings ist festzustellen, dass es sich in Wirklichkeit keineswegs um ein „erstes Kennenlernen“ handelte, sondern lediglich um Xi's ersten USA-Besuch als Präsident. Schon im Februar vorigen Jahres hatte er sich im Weißen Haus, im Pentagon und anderen wichtigen Plätzen Washingtons vorgestellt. Xi war damals noch Vizepräsident, aber es war schon so gut wie sicher, dass er demnächst Nachfolger von Präsident Hu Jintao werden würde, der seine chinesische Standardamtszeit von zehn Jahren nahezu absolviert hatte.

Xi, der in wenigen Tagen sechzigsten Geburtstag hat, ist Sohn eines Parteifunktionärs und hat eine Karriere als Gouverneur mehrerer Provinzen hinter sich. In die zentrale Führung von Staat und Partei stieg er vor sechs Jahren auf – angeblich damals schon mit der Perspektive, zu gegebener Zeit das Präsidentenamt zu übernehmen. Die Mainstream-Medien der USA sehen Xi fast schon als Freund ihres Landes, sagen ihm ein „warmes Verhältnis“ zu Biden seit dessen China-Reise im Jahre 2011 nach, und verweisen mit Betonung darauf, dass er seine Tochter an der Eliteuniversität Harvard studieren lässt.

Substantiell bleibt von dem kalifornischen Gipfeltreffen am Wochenende kaum etwas außer dem allerdings ganz dick aufgetragenen Umstand, dass beide Präsidenten sich größte Mühe gaben, die Perspektive der Beziehungen zwischen ihren Ländern schönzureden. Während sich Xi bei seinem vorangegangenen Besuch von Biden noch allerlei scharfe Tadel anhören musste – der Wechselkurs der chinesischen Währung, die „Handelspraktiken“, das Verhalten gegenüber Syrien, die Menschenrechte - , hielt Obama sich diesmal völlig zurück und betonte selbst zum heiklen Thema der Computerspionage, den sogenannten Cyber-Angriffen, nur den gemeinsamen Willen, zu Verständigung und Zusammenarbeit zu kommen. Bei Peking-Besuchen von Außenminister John Kerry im April und Sicherheitsberater Thomas Dilon im Mai waren alle Einzelheiten schon im Vorfeld bearbeitet worden, um einen ungestört-harmonischen Ablauf des Show-Gipfels zu gewährleisten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 10. Juni 2013