KNUT MELLENTHIN

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Somalia unter Konkursverwaltung

Das US-Unternehmen PriceWaterhouse Coopers (PwC) hat zu einem erheblichen Teil die Aufsicht über die Finanzen des „failed state“ Somalia übernommen. Auf diesen international wenig beachteten Vorgang machte Außenministerin Hillary Clinton aufmerksam, als sie am 6. August in der kenianischen Hauptstadt Nairobi mit dem Präsidenten der somalischen Übergangsregierung (TFG), Scharif Scheikh Ahmed, zusammentraf. (1)

PwC ist weltweit einer der bedeutendsten Anbieter von Dienstleistungen auf den Gebieten Wirtschaftsprüfung, Finanzverwaltung und Finanzberatung. Nach übereinstimmenden Berichten (2) soll das Unternehmen künftig alle Hilfsgelder kontrollieren, die die TFG von ausländischen Gebern erhält. Die von bewaffneten islamistischen Organisationen bedrängte Übergangsregierung beherrscht nur noch einen kleinen Teil der Hauptstadt Mogadischu und einige Gebiete in Zentralsomalia. Sie ist daher auf ständige finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen, deren Höhe jedoch weit hinter den Erfordernissen zurückbleibt. Eine Geberkonferenz im April erbrachte Zusagen in einer Gesamthöhe von 213 Millionen Dollar oder 165 Millionen Euro. Ein Teil des Geldes soll allerdings nicht der TFG, sondern der in Mogadischu stationierten afrikanischen Friedenstruppe AMISOM zugute kommen. (3) Bisher wurde noch nicht viel mehr als die Hälfte der zugesagten Gelder wirklich zur Verfügung gestellt. (4)

Die Übernahme der Kontrolle der Hilfsgelder durch PwC war den Berichten zufolge eine Bedingung der Geber. Dadurch soll, wie es heißt, die sachgemäße Verwendung der Gelder sichergestellt und persönliche Bereicherung somalischer Funktionäre verhindert werden. TFG-Außenminister Mohamed Abdullahi Omaar erklärte darüber hinaus gegenüber AFP, dass das somalische Bankensystem vollständig zusammengebrochen sei und es keine Geschäftsbank in Somalia mehr gebe, über die Überweisungen aus dem Ausland abgewickelt werden können.

Künftig sollen alle Hilfsgelder auf ein Konto von PwC außerhalb Somalias, aber in dessen Nähe, vermutlich in Nairobi, gehen. Das Unternehmen soll sie dann zweckgebunden einzelnen TFG-Stellen zur Verfügung stellen, beispielsweise zur Bezahlung von Löhnen in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Gleichzeitig soll PwC die ordnungsgemäße Verwendung der ausgezahlten Gelder überwachen. Das kann allerdings aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage in Somalia nur mit erheblichen Einschränkungen geschehen. Es wird erwartet, dass PwC zwar auch fest stationierte Mitarbeiter in Mogadischu haben wird, aber dass es sich dabei ausschließlich um Einheimische handeln wird. PwC wird für seine Dienste zwischen 2 und 4 Prozent aller ausgezahlten Gelder als Provision erhalten.

Die Kooperation wird dem US-Unternehmen auf jeden Fall weitreichende Einblicke in die Finanzen und die interne Verwaltung der somalischen TFG verschaffen. Wie weit PwC über die Hilfsgelder hinaus Kontroll- und Steuerungsfunktionen übernehmen wird, ist nicht bekannt, da der Vertrag zwischen dem Unternehmen und der Übergangsregierung nicht öffentlich ist. Darüber hat sich auch schon das somalische Parlament beklagt und die Vorlage aller von der TFG abgeschlossenen Geheimverträge – unter anderem ein heftig kritisiertes Abkommen mit Kenia zur Festlegung der Seegrenze – gefordert. (5)

Um die Verwaltung der ausländischen Hilfsgelder für die TFG hatte sich bisher das U.N. Development Program gekümmert. Allerdings ist anzunehmen, dass diese Behörde der Vereinten Nationen einen wesentlichen Teil der Tätigkeiten schon an ein einschlägiges Privatunternehmen vergeben hatte. PwC übt ähnliche Funktionen wie jetzt für die somalische Übergangsregierung unter anderem auch schon im Sudan und in Afghanistan aus.

In Russland geriet das Unternehmen vor zwei Jahren unter Verdacht, in die illegalen Finanzmachenschaften und Steuerhinterziehungen von Jukos-Boss Michail Chodorkowski verwickelt zu sein. Angeblich hatte die Tochterfirma PwC Audit in den Jahren 2002 bis 2004 wissentlich falsche Berichte an die russischen Finanzbehörden weitergeleitet. Damals hieß es, PwC prüfe die Buchhaltung russischer Firmen, die knapp 50 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes vereinten. (6) Dass sich damit, neben Betrugsmöglichkeiten, auch eine gewaltige Informationsfülle verbindet, liegt auf der Hand.

Anmerkungen:

1) Remarks With Somali Transitional Federal Government President Sheikh Sharif Sheikh Ahmed
http://www.state.gov/secretary/rm/2009a/08/126956.htm

2) Somalia hires PwC to monitor aid
Financial Times, July 7 2009
http://www.ft.com/cms/s/0/311ee0bc-6b13-11de-861d-00144feabdc0.html

DJ Somalia Hires PriceWaterhouse Coopers To Ease Donor Worries
AFP, 28.7.2009
http://english.capital.gr/News.asp?id=784330

3) http://eubusiness.com/news-eu/1240500738.32/?searchterm=peacekeeping

4) Somalia hires PwC to monitor aid
Financial Times, July 7 2009
http://www.ft.com/cms/s/0/311ee0bc-6b13-11de-861d-00144feabdc0.html

5) How the Sharif’s Government can survive. American Chronicle, 15.7.2009.
http://www.americanchronicle.com/articles/view/110568

6) Pricewaterhouse droht Lizenzentzug in Russland. Spiegel Online, 2.4.2007.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,475257,00.html

Knut Mellenthin

Hintergrund, 14. August 2009