KNUT MELLENTHIN

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Tauwetter

Im Auf und Ab des Verhältnissen zwischen den USA und China ist derzeit wieder einmal Sonnenschein angesagt

Im Zeichen deutlich intensivierter Beziehungen zwischen China und den USA ist Pentagon-Minister Robert Gates am Sonntagabend zu mehrtägigen Gesprächen in Peking eingetroffen. Im vorigen Jahr war ein bereits geplanter Besuch des Amerikaner von der chinesischen Regierung abgesagt worden, nachdem Washington die Absicht bekannt gegeben hatte, der separatistischen Inselrepublik Taiwan Waffen im Wert von 6,4 Milliarden Doller zu liefern. Gleichzeitig hatte China damals die ohnehin geringen, nur einen politischen Symbolwert tragenden Kontakte zwischen den Streitkräften beider Staaten unterbrochen. Deren Wiederaufnahme wurde indessen schon im Oktober vereinbart. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die offizielle Neueinladung an Gates ausgesprochen. Es ist der erste Besuch eines amtierenden US-Verteidigungsministers in Peking seit zehn Jahren. Gates war zwar 2007 schon einmal in China, aber damals noch nicht als Minister.

Nach einem ersten Treffen zwischen Gates und seinem chinesischen Kollegen Liang Guanglie am Montag wurde bekannt gegeben, dass die beiden Staaten eine Arbeitsgruppe bilden wollen, die künftige Gespräche und Kontakte vorbereiten soll. Außerdem soll zu einem noch zu vereinbarenden Zeitpunkt in der ersten Jahreshälfte der Chef des chinesischen Generalstabs nach Washington kommen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben die beiden Minister stark verklausulierte, schwer verständliche Erklärungen ab, die denn auch prompt unterschiedlich gedeutet wurden. So wurde Liang von manchen Journalisten mit der Aussage zitiert, die militärischen Beziehungen zwischen China und USA seien „auf dem richtigen Weg“, während er in Wirklichkeit aufgerufen hatte, „gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen“, um „sicherzustellen, dass sich das Verhältnis zwischen den beiden Militärs auf dem richtigen Weg vorwärtsbewegt“.

Klar wurde, dass die US-Regierung China zu einem institutionalisierten „strategischen Dialog“ drängen will, der auch dann unter Garantie fortgesetzt wird, wenn Washington sich weiterhin über die sogenannten Kerninteressen Chinas (Taiwan, Tibet, Chinesisches Meer) hinwegsetzt. Die von Gates gewünschte Festlegung, dass China bei künftigen amerikanischen Waffenlieferungen an Taiwan die militärischen Kontakte nicht wieder unterbrechen wird, wollte Liang aber nicht abgeben.

Ganz kurz vor dem Gates-Besuch hatten westliche Politiker und Mainstream-Medien mit aufgebauschten Sensationsgeschichten über neue chinesische Waffensysteme die Stimmung aufgeheizt. Die Rede war von einer Rakete, mit der China angeblich Flugzeugträger der US-Marine über eine Entfernung von 2900 Kilometern zerstören könne. Ein anderes Gerücht galt der Entwicklung eines chinesischen Stealth-Kampfflugzeugs, das von Radar-Systemen nicht wahrgenommen werden kann. Auch der erste Flugzeugträger, den China vielleicht irgendwann bauen könnte, tauchte wieder in den Meldungen auf.

Liang wies demgegenüber mit betonter Bescheidenheit darauf hin, dass China sich keineswegs als moderne Militärmacht bezeichnen könne: „Der Abstand zwischen uns und den fortgeschrittenen Ländern beträgt mindestens zwei bis drei Jahrzehnte.“ - China gibt im laufenden Jahr 76,4 Milliarden Dollar für seine Streitkräfte aus, die USA hingegen über 700 Milliarden.

Gates' Visite in Peking ist Teil einer umfangreichen Reisetätigkeit zwischen beiden Staaten, mit denen der Besuch von Präsident Hu Jintao vorbereitet wird, der am 18. Januar nach Washington kommen soll.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 11. Januar 2011