KNUT MELLENTHIN

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"Tot oder lebendig" - Bush verschärft Konfrontationskurs gegen Iran

Die US- Besatzungstruppen im Irak sollen "iranische Agenten töten oder gefangen nehmen". Einen entsprechende Befehl hat Präsident George W. Bush im Herbst 2006 während eines Treffens mit hochrangigen Beratern erteilt. Das meldete die Washington Post am Freitag unter Berufung auf nicht namentlich genannte Regierungsbeamte.

Schon vor diesem Zeitpunkt, so das Blatt, hätten die US-Streitkräfte im Irak ohne Informierung der Öffentlichkeit "Dutzende" von "verdächtigen" Iranern festgenommen. In der Regel seien sie drei bis vier Tage festgehalten und umfassend "erkennungsdienstlich behandelt worden". Anschließend seien sie freigelassen worden. Im Sommer vorigen Jahres habe sich jedoch im Beraterkreis von Bush die Ansicht durchgesetzt, dass ein "aggressiveres Vorgehen" nötig sei. Begründet worden sei das mit dem "wachsenden regionalen Einfluss Irans" und mit der Einschätzung, dass die amerikanische Strategie, Iran zu isolieren, vom Scheitern bedroht sei.

Als erste Umsetzung des Bush-Befehls gilt die Festnahme von vier iranischen Diplomaten in einem Büro der einflussreichen, an der irakischen Regierung beteiligten schiitischen SCIRI-Partei. Präsident Jalal Talabani, ein Kurde, protestierte scharf gegen das Vorgehen der Besatzungstruppen: Die Iraner seien von ihm persönlich in den Irak eingeladen worden. Maßgebliche kurdische Politiker des Irak haben seit der Zeit ihres Kampfes gegen Saddam Hussein erstklassige Beziehungen zum Iran. Auch die SCIRI wandte sich gegen die eigenmächtige Aktion des US-Militärs. SCIRI-Chef Abdul Aziz al-Hakim war gerade erst drei Wochen zuvor Gast von Bush gewesen.

Aufgrund der irakischen Proteste ließ die US-Besatzungsverwaltung ihre Gefangenen nach wenigen Tagen frei. Nicht so jedoch nach einer zweiten Aktion am 11. Januar in Irbil im kurdischen Nordirak. Die fünf iranischen Diplomaten, die in ihrem Büro festgenommen wurden, sind immer noch in Haft. Obwohl die kurdischen Behörden und der irakische Außenminister erklärten, dass die iranische Vertretung in Irbil schon seit zehn Jahren besteht und demnächst zum Konsulat aufgewertet werden soll, behauptet die US-Regierung, es handele sich nicht um Diplomaten, sondern um "Agenten".

Dem Bericht der Washington Post zufolge geht es bei der im Herbst von der Bush-Regierung beschlossenen "neuen Strategie" keineswegs nur um den Irak, sondern um den iranischen Einfluss im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Genannt werden der Libanon, die von Israel seit 1967 besetzten Palästinensergebiete und sogar die überwiegend von Schiiten bewohnten Gebiete im westlichen Afghanistan.

Laut Washington Post verbindet die US-Regierung mit ihrem aggressiven Vorgehen gegen Iraner im Irak die Hoffnung, Teheran so stark unter Druck zu setzen, dass es alle amerikanischen Forderungen akzeptiert. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass auf diese Weise eine militärische Eskalation provoziert werden soll.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. Januar 2007