KNUT MELLENTHIN

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USA weiten Krieg in Nordostafrika aus

Ein US-amerikanisches Kriegsschiff hat am 1. Juni vermutete islamistische Kämpfer im nordostsomalischen Puntland mit Bordkanonen oder - nach anderer Version - mit Cruise Missiles beschossen. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des Küstenortes Bargal. Ein entsprechender Bericht der örtlichen Behörden wurde inzwischen laut Pressemeldungen von anonymen amerikanischen Militärkreisen bestätigt. US-Verteidigungsminister Robert Gates lehnte einen Kommentar ab mit der Begründung, es handele sich möglicherweise um noch laufende Operationen. Pentagon-Sprecher Bryan Whitman erklärte am 2. Juni: "Es liegt im Wesen einiger unserer Operationen und ihres Erfolges, dass sie oft von unserer Fähigkeit abhängen, im Stillen mit unseren Partnern und Verbündeten zusammenzuarbeiten."

Puntland erklärte 1998 mit militärischer Unterstützung Äthiopiens seine Unabhängigkeit von Somalia und behauptet diese seither. Zu dem amerikanischen Angriff soll es örtlichen Berichten zufolge gekommen sein, nachdem am 30. Mai zwischen 15 und 35 schwerbewaffnete Kämpfer aus Somalia mit Schnellbooten gelandet waren. Anschließend sei es zu Schießereien mit der dortigen Polizei gekommen. Nach offiziellen puntländischen Angaben wurden bei den Kämpfen und durch das amerikanische Eingreifen acht "Terroristen" getötet. Unter ihnen seien Männer aus den USA, Eritrea, Jemen, Großbritannien und Schweden gewesen. Nach aller bisherigen Erfahrung dürfte es sich bei solchen "Ausländern" um heimgekehrte somalische Emigranten handeln.

Die somalische Gruppe Bewegung der Jungen Mudschaheddin, die angeblich an dem Zwischenfall beteiligt war, behauptet, sie habe ohne eigene Verluste elf Gegner getötet. Puntländische Zeitungen berichten, dass beim Angriff des US-Kriegsschiffs eine noch unbekannte Zahl von Dorfbewohnern ums Leben gekommen sei und zahlreiche Bauernhäuser zerstört wurden.

Nach zwei amerikanischen Luftangriffen auf Ziele in Südsomalia im Januar ist dies das dritte direkte Eingreifen der USA in den somalischen Bürgerkrieg. Indirekt befindet sich damit auch Deutschland auf einem weiteren Schauplatz im Krieg. Denn der für den Angriff eingesetzte US-Zerstörer gehört höchstwahrscheinlich zu der in Dschibuti stationierten multinationalen Flotte Task Force 150, an der die Bundesmarine derzeit mit einer Fregatte beteiligt ist. Das entspräche auch der Darstellung des Vizepräsidenten von Puntland, Hassan Dahir. Ihm zufolge habe man nach den ersten Kämpfen mit den Eindringlingen die Amerikaner in Dschibuti um Hilfe gebeten. Schon nach den Luftangriffen im Januar hatten sich amerikanische Militärsprecher darauf berufen, im Rahmen der Task Force 150 gehandelt zu haben.

Einem von der UNO am Freitag veröffentlichten Bericht zufolge sind nach den schweren Kämpfen vom April erst 90.000 Menschen nach Mogadischu zurückgekehrt. Insgesamt waren damals nach UNO-Schätzungen etwa 400.000 Bewohner aus der somalischen Hauptstadt geflohen, als äthiopische Besatzungstruppen und Milizen der "Übergangsregierung" ganze Stadtviertel durch tagelangen Artillerie- und Panzerbeschuss zerstörten. Die Rückkehr der Flüchtlinge gestaltet sich sehr langsam, da viele durch die Kämpfe im April buchstäblich alles, einschließlich ihrer Wohnungen, verloren haben. Außerdem wurde die ohnehin unzureichende Infrastruktur der Hauptstadt weitgehend zerstört und seither nicht wieder hergestellt. Hinzu kommt, dass viele Flüchtlinge als Angehörige des von der "Übergangsregierung" bekämpften Hawiye-Clans Angst vor Repressalien haben, falls sie nach Mogadischu zurückkehren.

Die "Übergangsregierung" hat mit Hilfe des äthiopischen Militärs zwar die Hauptstadt unter Kontrolle gebracht. Aber als Folge sind die Oppositionskräfte zu einem sehr effektiven Guerillakrieg übergegangen, den sie auf das ganze Land ausweiten. Unter anderem operieren sie mit Attentaten auf maßgebliche Funktionäre der "Übergangsregierung" und Sprengstoffanschlägen gegen äthiopische Militärkonvoys. Inzwischen hat sich ein breites Oppositionsbündnis formiert, das neben der Union der Islamischen Gerichte und kleineren fundamentalistischen Organisationen auch maßgebliche Kräfte des Hawiye-Clans und frühere Unterstützer der "Übergangsregierung" umfasst.

Knut Mellenthin

Erweiterte Fassung eines am 4. Juni 2007 in der Jungen Welt veröffentlichten Artikels