KNUT MELLENTHIN

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Weder Krieg noch Frieden

Anmerkungen zur Geschichte des Streits um das nordkoreanische Atomprogramm

Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) haben am Montag die Abschaltung des nordkoreanischen Atomreaktors Yongbyon bestätigt. Die Maßnahme gehört zu einer am 13. Februar geschlossenen Vereinbarung, die zu einer Entspannung im Streit um Pjöngjangs Atomprogramm und langfristig zu einer "Entnuklearisierung" der ganzen koreanischen Halbinsel führen soll. Das Abkommen ist Ergebnis der mit Unterbrechungen seit August 2003 geführten Sechser-Gespräche zwischen Nord- und Südkorea, China, Japan, Russland und den USA.

Erstmals nach der Ausweisung der Inspektoren im Dezember 2002 sind seit vergangener Woche wieder Vertreter der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DPRK) tätig. Das aus zehn Personen bestehende Team soll die Stilllegung des Reaktors Yongbyon sowie der anderen Elemente des nordkoreanischen Atomprogramms überwachen. Es wird voraussichtlich etwa einen Monat dauern, bis der Reaktor heruntergefahren ist und die erforderlichen Kameras und Messgeräte installiert werden können. Das Abkommen sieht letztlich die Demontage aller nordkoreanischen Atomanlagen vor. Es enthält dafür aber weder konkrete Schritte noch einen Zeitplan. Allgemein wird mit langwierigen, komplizierten Verhandlungen der Sechser-Gruppe, vielleicht auch mit Rückschlägen gerechnet, bevor das Endziel erreicht werden kann.

Als unmittelbare Gegenleistung für die Wiederzulassung der Inspektoren und das "Einfrieren" ihres Atomprogramms soll die DPRK zunächst 50.000 Tonnen Schweröl erhalten. Die erste Lieferung von 6.200 Tonnen traf am Sonnabend der vorigen Woche ein. Das war gemäß dem Abkommen Voraussetzung für die Abschaltung des Reaktors, die am selben Tag erfolgte. Ein zweiter südkoreanischer Tanker mit 7.500 Tonnen Öl machte sich anschließend auf den Weg in die DPRK.

Von dem "Einfrieren" sind aktuell neben dem 5-Megawatt-Reaktor Yongbyon auch zwei im Bau befindliche wesentlich leistungsstärkere Atomkraftwerke betroffen, die in der Nähe liegen. Das eine ist auf 50 MW angelegt, das andere auf 200 MW. Auf beiden Baustellen wurden die Arbeiten schon 1994 auf Grund eines früheren Abkommens mit den USA eingestellt. Die Substanz soll seither sehr gelitten haben. Ferner hat sich die DPRK zur Stillegung einer Wiederaufarbeitungs-Anlage verpflichtet, in der aus den verbrauchten Brennstäben des Reaktors Yongbyon waffenfähiges Plutonium gewonnen wurde.

Komplizierte Verhandlungen über die nächsten Schritte

Die von der Sechser-Gruppe beschlossene Vereinbarung sieht vor, dass die DPRK in einem nicht definierten längeren Zeitraum "wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung bis zum Gegenwert von einer Million Tonnen Schweröl" erhalten soll. Das ist aber abhängig von einer endgültigen Demontage des gesamten nordkoreanischen Atomprogramms, einschließlich der Ablieferung des produzierten waffenfähigen Plutoniums. Die über die ersten 50.000 Tonnen hinausgehenden Lieferungen werden also jeweils nur im Austausch gegen konkrete nordkoreanische Schritte erfolgen, über die noch verhandelt werden muss.

Die jetzt verwirklichte erste Stufe des Abkommens vom 13. Februar sollte ursprünglich schon innerhalb von 60 Tagen abgeschlossen werden. Die DPRK bestand aber auf der - in der Vereinbarung nicht erwähnten - vorherigen Freigabe von 20 bis 25 Millionen Dollar Guthaben, die die US-Regierung im September 2005 beschlagnahmt hatte. Nach zähen Verhandlungen erfüllten die USA schließlich Mitte Juni diese Forderung. Weitere Zeit verging mit der praktischen Umsetzung des Geldtransfers, da die USA keine direkten Finanzbeziehungen zur DPRK unterhalten.

Die Sechser-Gespräche sollen in dieser Woche fortgesetzt werden. Im Zentrum wird die Umsetzung der im Februar grundsätzlich vereinbarten, aber noch nicht konkret festgelegten nächsten Schritte stehen. Dabei geht es jetzt vor allem um die von der DPRK zugesagte Vorlage einer detaillierten Deklaration über das gesamte Atomprogramms des Landes, einschließlich der genauen Menge des waffenfähigen Plutoniums. Darüber gibt es bisher nur stark voneinander abweichende, sachlich nicht fundierbare Schätzungen. Der Mittelwert liegt ungefähr bei der Annahme, dass die DPRK ausreichend Material für acht bis zehn nukleare Sprengsätze haben könnte. Pjöngjang gab am 9. Oktober 2006 einen Atomwaffentest bekannt, doch wurde dessen reale Bedeutung weithin angezweifelt. Es ist nach wie vor ungewiss, ob die DPRK auch nur eine einzige wirklich einsatzfähige, mit einer Rakete abzuschießende Atomwaffe besitzt.

Die New York Times bezeichnete die Abschaltung von Yongbyon am 16. Juli als "hart erkämpften, aber zerbrechlichen diplomatischen Sieg der Bush-Regierung". Offen widersprechen möchten diesem Urteil nur wenige amerikanische Politiker. Kritik kommt lediglich von einigen Neokonservativen wie dem früheren US-Botschafter bei der UNO, John Bolton. Er sei "sehr verstört" über das Abkommen, hatte der als extrem undiplomatisch bekannte Diplomat schon im Februar verkündet. Es sende "genau das falsche Signal" an alle nach Atomwaffen strebenden Staaten aus. Intern soll sich, wie die Washington Post am 15. Februar berichtete, der oberste Nahost-Berater des Präsidenten, Elliot Abrams, ebenfalls sehr negativ über die Vereinbarung vom 13. Februar geäußert haben. Auch in der Zeitschrift National Review und im Wall Street Journal, beide fest in neokonservativer Hand, wurde Kritik laut. Insgesamt überwiegt aber bei den Neocons die Einsicht, dass es ihrem zentralen Anliegen, dem Zusteuern auf einen militärischen Konflikt mit Iran, nur schaden könnte, wenn jetzt der Streit mit der DPRK aggressiv hochgekocht würde.

Hillary Clinton, derzeit führend im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur im nächsten Jahr, äußerte sich zwar sehr zufrieden über das Abkommen, griff die Regierung aber aus einer anderen Richtung an: George W. Bush habe durch einen mehrjährigen Konfrontationskurs unnötigerweise aufs Spiel gesetzt, was sein Vorgänger Bill Clinton durch das 1994 mit der DPRK abgeschlossene Agreed Framework (Rahmenvereinbarung) erreicht habe. Mit diesem Seitenhieb löste die New Yorker Senatorin einen heftigen Streit mit ihrem republikanischen Senatskollegen John McCain aus Arizona aus, der sich ebenfalls um das Präsidentenamt bewerben will. Das 1994er Abkommen, dessen schärfster Gegner im Kongress er von Anfang an war, sei ein katastrophaler Fehler gewesen und habe es der DPRK ermöglicht, ihr geheimes Atomwaffenprogramm voranzutreiben, behauptet McCain.

Zwei Reaktoren, die nie gebaut wurden

Das Agreed Framework vom 21. Oktober 1994 beendete eine 18 Monate währende scharfe Konfrontation zwischen den USA und der DPRK. Auf dem Höhepunkt des Konflikts hatte der damalige Präsident Clinton alle Vorbereitungen für Militärschläge gegen Nordkorea treffen lassen. Auslöser war im Februar 1993 eine Auseinandersetzung zwischen der DPRK und der IAEA um die Untersuchung zweier Anlagen, wo die Behörde Lager für nuklearen Abfall vermutete. Pjöngjang verweigerte die geforderte Inspektion vor Ort und kündigte am 12. März 1993 seinen fristgemäßen Austritt aus dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (NPT) an. Dazu ist jeder Unterzeichnerstaat des Vertrages berechtigt, wenn er den beabsichtigten Austritt unter Berufung auf "nationale Sicherheitsinteressen" drei Monate vorher bekannt gibt. Der nordkoreanische Schritt wäre also am 12. Juni 1993 wirksam geworden. Aber genau einen Tag vorher suspendierte die DPRK nach Verhandlungen mit den USA ihren Austritt und erklärte sich zur weiteren Zusammenarbeit mit der IAEA bereit. Die US-Regierung ihrerseits gab das Versprechen ab, gegen Nordkorea keine Militärgewalt anzuwenden und sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen.

Nach einer neuerlichen Zuspitzung der Beziehungen zwischen der DPRK und der Atomenergie-Behörde im Frühjahr 1994 erklärte die Regierung in Pjöngjang am 13. Juni 1994 ihren Austritt aus der IAEA. Zwei Tage später handelte der frühere US-Präsident Jimmy Carter als Vermittler zunächst einen vorläufigen Kompromiss und anschließend das am 12. August 1994 unterzeichnete Agreed Statement aus. Dieses legte bereits die Grundlagen für das zwei Monate später geschlossene Abkommen fest.

Kern des Agreed Framework vom 21. Oktober 1994 war die Ersetzung der drei graphit-moderierten nordkoreanischen Reaktoren (von denen zwei noch im Bau befindlich waren) durch Leichtwasserreaktoren. Hintergrund war, dass das aus solchen Reaktoren gewinnbare Plutonium sehr viel weniger zur Atomwaffenproduktion geeignet ist. Die neuen Atomkraftwerke sollten im Jahr 2003 mit einer Gesamtleistung von 2.000 MW betriebsfertig sein. Um den Bau zu finanzieren und durchzuführen sollte ein internationales Konsortium gebildet werden.

Die DPRK verpflichtete sich, innerhalb eines Monats nach Unterzeichnung des Abkommens ihr gesamtes Atomprogramm "einzufrieren", also sämtliche Anlagen und Baustellen unter Kontrolle der IAEA stillzulegen. Als Entschädigung für die dadurch zeitweise entgangene Atomenergie sollte Nordkorea bis zur Inbetriebnahme der Leichtwasserreaktoren jährlich 500.000 Tonnen Schweröl oder deren Äquivalent in Strom erhalten.

Parallel zur Fertigstellung der neuen Reaktoren sollten schließlich alle anderen Atomanlagen der DPRK endgültig demontiert werden. Das Abkommen enthielt außerdem die allgemeine und praktisch folgenlose Absichtserklärung, dass beide Seiten "die vollständige Normalisierung ihrer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen" anstrebten.

Beim Vergleich zwischen dem 1994er Abkommen und der im Februar 2007 geschlossenen Vereinbarung fallen zwei schwerwiegende Verschlechterungen zum Nachteil der DPRK auf. Erstens ist von den damals versprochenen beiden neuen Reaktoren, die aber niemals gebaut wurden, jetzt überhaupt nicht mehr die Rede. Zweitens entspricht die gesamte Schweröl-Menge, die der DPRK jetzt für die vollständige Demontage ihrer Atomanlagen in Aussicht gestellt wird, nur dem Umfang zweier Jahreslieferungen gemäß dem alten Abkommen.

Blockade-Politik der Republikaner

Zwei Wochen nach Unterzeichnung des Agreed Framework wurden in den USA neue Abgeordnete und Senatoren gewählt. Ergebnis war, dass die Republikaner ab Jahresanfang 1995 in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit hatten. Sie verurteilten den Vertrag als "Appeasement" und behinderten auf jede nur mögliche Weise seine Durchführung. Wie weit die Republikaner damit wirklich die Absichten der Clinton-Regierung konterkarierten oder ob man sich insgeheim nur die Bälle zuschob, ist nicht genau und sicher einzuschätzen. Tatsache ist jedenfalls, dass die USA fast vom ersten Moment an massiv vertragsbrüchig wurden. Im Gegensatz dazu hielt sich die DPRK an ihren Teil der Vereinbarung.

Zwar wurde recht bald nach Abschluss des Abkommens, im März 1995, das internationale Konsortium KEDO (Korean Peninsula Energy Development Organization) gebildet, das die versprochenen neuen Leichtwasserreaktoren errichten sollte. Aber unter immer neuen Vorwänden verzögerten die USA und Südkorea, das innerhalb der KEDO federführend war, den Baubeginn. Mal waren es angebliche Spionagefahrten nordkoreanischer U-Boote, mal Raketentests. Gemeinsam war sämtlichen Vorwänden, dass sie mit den Gegenständen des Agreed Framework nicht das geringste zu tun hatten. Zusätzlich blockierten die Republikaner im amerikanischen Kongress die Zahlungen der USA an die KEDO. Es dauerte bis zum August 2002, bis die KEDO überhaupt mit den Bauarbeiten für den ersten Leichtwasserreaktor begann. Zur Erinnerung: Vertraglich vereinbart war die Fertigstellung von zwei Reaktoren im Jahr 2003. Nun wurde ein Termin im Jahr 2008 in Aussicht genommen, aber am 21. November 2003 gab die KEDO die endgültige Einstellung des gesamten Projekts bekannt.

Als zentraler, immer wiederkehrender und propagandistisch strapazierter Vorwand der amerikanischen Seite für die Nichterfüllung des 1994er Abkommens erwiesen sich die nordkoreanischen Raketentests. Im Kern ging es dabei um die Verbesserung der Reichweite. Raketen waren jedoch nicht Gegenstand des Agreed Framework, sie wurden dort nicht einmal erwähnt. Die DPRK verstieß damit auch nicht im geringsten gegen irgendein anderes bilaterales oder internationales Abkommen. Aber um der Gegenseite ein zentrales Scheinargument zu nehmen, gab Pjöngjang im September 1999 ein Moratorium für Raketentests bekannt. Im Gegenzug versprach die US-Regierung eine Lockerung der Sanktionen gegen die DPRK. Clinton kam dieser Zusage allerdings erst im Juni 2000, wenige Monate vor Ende seiner Amtszeit, nach.

Bush-Regierung provozierte Eskalation

Unter Clinton hatten sich die USA weit vom 1994er Abkommen entfernt. George W. Bush, dessen Amtszeit im Januar 2001 begann, vollzog schließlich den offenen Bruch mit dem Agreed Framework. Am 29. Januar 2002 nannte der Präsident in seiner Rede zur Lage der Nation Nordkorea neben Irak und Iran als Bestandteil der "Achse des Bösen", was im Kontext einer Kriegserklärung nahe kam. Im März des selben Jahres berichteten die US-Medien, vermutlich auf Grund gezielter Informationen, dass die neuen Kriegsplanungen des Pentagon den "präventiven" Einsatz von Atomwaffen gegen "Schurkenstaaten" vorsahen, wobei die DPRK namentlich genannt wurde. In einem Klima zunehmender Spannungen kehrte James Kelly, Unterstaatssekretär im Außenministerium, im Oktober 2002 von einem Besuch in Pjöngjang mit einer sensationellen Neuigkeit zurück: Seine nordkoreanischen Gesprächspartner hätten ihm gegenüber die Existenz eines geheimen Programms zur Uran-Anreicherung zugegeben. Theoretisch könnte das - neben der Gewinnung von Plutonium aus verbrauchten Brennstäben - ein zweiter Weg zur Herstellung von Atomwaffen sein.

Die DPRK widersprach Kellys Behauptung sofort. Im Februar 2007 gaben schließlich amerikanische Geheimdienstkreise zu, dass es immer noch keine gesicherten Erkenntnisse gibt, ob Nordkorea wirklich auf dem Gebiet der Uran-Anreicherung gearbeitet hat und auf welcher Stufe sich die Entwicklung befindet. Aber in der Zwischenzeit hatte das von Kelly in die Welt gesetzte Gerücht eine gefährliche Kettenreaktion ausgelöst. Am 14. November 2002 gab Präsident Bush die endgültige Einstellung der Öl-Lieferungen an die DPRK bekannt. Am 13. Dezember 2002 forderte Pjöngjang die IAEA auf, die Siegel und Überwachungskameras aus den Atomanlagen zu entfernen. Aufgrund des Verhaltens der US-Regierung sei man zur Wiederinbetriebnahme und zum Weiterbau gezwungen, um die Energieversorgung zu sichern. Am 27. Dezember 2002 ordnete die nordkoreanische Regierung die Ausweisung der IAEA-Inspektoren an. Am 10. Januar 2003 gab die DPRK ihre Absicht bekannt, mit Wirkung vom folgenden Tag an aus dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen auszutreten. Der NPT sieht zwar eine Kündigungsfrist von drei Monaten vor. Doch die nordkoreanische Regierung argumentierte, daran nicht gebunden zu sein, weil sie den Austritt schon 1993 angekündigt und lediglich suspendiert, aber nicht förmlich widerrufen habe.

Trotz der Austrittserklärung beschuldigte die IAEA Nordkorea am 12. Februar 2003, gegen den NPT zu verstoßen, und schaltete den UNO-Sicherheitsrat ein. Dieser drückte am 9. April 2003 zwar seine "Besorgnis" aus, beschloss aber keine Sanktionen und nicht einmal eine förmliche Verurteilung der DPRK. Offenbar waren sich Russland und China in diesem Fall einig -anders als gegenüber dem Iran -, das aggressive Spiel der US-Regierung nicht mitzumachen. Im August 2003 begannen aufgrund einer chinesischen Initiative die Sechser-Gespräche, an denen neben den beiden koreanischen Staaten und China auch die USA, Russland und Japan beteiligt sind.

Am 19. September 2005 schien mit der Verabschiedung einer Gemeinsamen Erklärung erstmals ein Durchbruch in den Verhandlungen erreicht. Die scheinbare Einigung brach aber schon am folgenden Tag zusammen. Da wurde nämlich deutlich, dass das Versprechen  der US-Regierung, den Bau von Leichtwasser-Reaktoren in Nordkorea erneut "prüfen" zu wollen, auf beiden Seiten ganz unterschiedlich ausgelegt wurde. Die Amerikaner bestanden darauf, über diese Frage erst nach der endgültigen Demontage aller nordkoreanischen Nuklearanlagen zu sprechen. Die DPRK hingegen forderte, dass dieser Punkt zeitgleich mit einem erneuten "Einfrieren" ihres Atomprogramms verhandelt und positiv entschieden werden müsse.

Im Jahr 2006 spitzte sich die Konfrontation zunächst weiter zu. Die DPRK führte Anfang Juli mehrere Testabschüsse von Raketen mit größerer Reichweite durch. Südkorea reagierte mit der Einstellung der Lebensmittelhilfe für den Norden. Am 15. Juli verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat erstmals Sanktionen gegen die DPRK. Sie bezogen sich auf die Lieferung von Material und Technologie für den Raketenbau. Am 9. Oktober gab die Regierung in Pjöngjang die erste Versuchsexplosion eines nuklearen Sprengsatzes bekannt. Am 16. Oktober folgte ein weiterer Sanktionsbeschluss des Sicherheitsrats. Zwei Wochen später stimmte die DPRK der Wiederaufnahme der Sechsergespräche zu, die seit November 2005 unterbrochen gewesen waren.

Als Fazit des bisherigen Streitverlaufs, rückblickend auf rund 15 Jahre, ist zu vermuten, dass die USA auch künftig keine Normalisierung ihrer Beziehungen zur DPRK anstreben und zu keinen echten, dauerhaften Kompromissen bereit sind. Auf der anderen Seite ist einzuschätzen, dass in absehbarer Zeit keine US-Regierung den Konflikt zu einer militärischen Konfrontation eskalieren lassen will. Der Schwerpunkt der aggressiven amerikanischen Militärstrategie liegt auf viele Jahre eindeutig im Nahen und Mittleren Osten. Das lässt keine größeren Nebenschauplätze mehr zu. Außerdem sind die wichtigsten Verbündeten der USA in Nordostasien, Südkorea und Japan, wegen der weitreichenden Folgewirkungen ganz entschieden gegen einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel. Und nicht zuletzt würden die USA durch Militärschläge gegen die DPRK ihre bisher recht erfolgreiche Zusammenarbeit mit Russland und China zur Isolierung Irans aufs Spiel setzen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 18. Juli 2007